Danke für den differenzierten Beitrag!
zu 1., aber auch bei den anderen Punkten mitschwingend: Das ist aber eben gar nicht die Behauptung von seriösen Atombefürwortern (die wie ich auch meistens EE-Befürworter sind) abseits der AfD!
Sondern meine Argumentation geht ja so:
a) Natürlich gibt es Probleme, die man bei einem Neubau praktisch minimieren kann, und
b) ist es sehr wichtig, dass man überhaupt sich über die Größenordnung dieser Probleme bewusst wird: Wenn also unangepasste franz. AKWs eine Minderleistung wegen Kühlwassers von 0,5% haben, dann ist das philosophisch gesehen "die Existenz eines Problems", aber in der Praxis eben keines. Wie gesagt hat man bei EE eine natürliche Minderleistung von 80-85%, also um 1600% mehr (!) als durch Kühlwasser, aber das muss man - und kann man - dann eben einkalkulieren.
Konkret für Deutschland noch dazu: Wir werden im Sommer durch die saisonale Differenz der PV und wenig Heizbedarf Stromüberschüsse haben - ironischerweise berichtet das der eine verlinkte Artikel des Kollegen, während er sich nicht der Folgerung bewusst wird, dass das heißt: eine minimale Minderleistung von AKWs in D ist deswegen überhaupt kein Thema: Man kann sogar ideal für die üblichen Wartungszeiten der AKWs in den Hochsommer legen.
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Und den Punkt b möchte ich noch herausstreichen, weil er bei so vielen Punkten eine Rolle spielt - zB bei deinem zweiten: Jede Technologie hat einen ökologischen Fußabdruck. Es kommt logischerweise auf die Größe dessen, im Vergleich zu anderen Technologien, an.
Das passiert aber nicht bei Atomkraft: Es werden größenlos nur schwarz-weiß, oftmals auch emotionalisierte Aussagen getroffen: "Radioaktive Strahlung ist gefährlich/tödlich!", "Es sind Menschen gestorben", "Es sterben Fische", "Radioaktiver Müll".
Ja, wie viel(e)? Über welchen Zeitraum? Für wie viel Energieerzeugung? Was sind das also an Schaden/Tote pro kWh?
Solche objektiven Kriterien braucht man. Denn natürlich gibt es auch Schaden bei EE, bei Kohle, bei Wasserkraft - immer. Dort ist er aber kaum präsent, obwohl die Totenzahl bei Kohle immens ist. Wir haben da bsd in D eine völlig irrationale, nicht datengestützte Wahrnehmung der Atomkraft vs andere Technologien.
Nimmt man objektive Risikobetrachtungen, die all das machen, was ich geschrieben habe - fallen dann die meisten aus allen Wolken. Und fangen sogleich an, die Wissenschaft und Zahlen anzuzweifeln, rumzufeilschen - weil es komplett entgegen dem ist, was sie die ganze Zeit gesagt bekommen haben und auch geglaubt: Dass Atomkraft nun mal eine "Hochrisikotechnologie" ist, "sehr gefährlich" - und in Fukushima bei der Nuklearkatastrophe (drei Mal von der tagesschau.de und Claudia Roth, Ministerin, so berichtet!) 10.000 Menschen gestorben sind - es waren 500 durch die Evakuierung, einer durch die Strahlung.
Das ist also die objektive Totenzahl https://ourworldindata.org/grapher/death-rates-from-energy-production-per-twh
Und das ist gleichzeitig die Antwort auf deinen zweiten Punkt: Ja, dieser Fußabdruck existiert, den lasse ich nicht aus. Atomkraftwerke haben auch noch Beton - eine CO2-Quelle. Durch den Uranbergbau werden Landschaften zerstört (wie auch selbstverständlich in viel größerem Maße für den Abbau der Rohstoffe für EE-Anlagen) . Aber das alles ist im Vergleich zu anderen Technologien kleiner. Genauso natürlich wie der Fußabdruck "Vögeltod" bei WKAs winzig ist, weil auch dort Menschen nicht das Große Ganze kennen, d.h. andere Todesursachen bei Vögeln.
Ich sehe aber eher Ignoranz und Abwehr, wenn ich obige Todesstatistik poste - ich habe noch nie gehört von Atomkraftgegnern, dass Atomkraft eine der sichersten Technologien ist für den Menschen, die diesen Fakt kennen oder akzeptiert haben. Ich höre nur "Tschernobyl" (übrigens ja, ist eingerechnet in obiger Statistik) - und keinen blassen Schimmer von Zahlen pro erzeugter Energieeinheit.
Es ist wohl die größte Paradoxie des deutschen Atomausstiegs, dass u.a. durch die Angst vor Toten der Atomkraft so viele Menschen mehr an Kohleverbrennung sterben, wie alleine dadurch in der gesamten Geschichte der westlichen (oder sogar global) AKWs nicht gestorben sind: 9000 Tote https://www.forbes.com/sites/scottcarpenter/2020/01/11/costs-of-germanys-nuclear-phase-out-are-substantial-new-paper-finds-but-there-is-little-appetite-for-a-rethink/
Das kommt davon, wenn man nur Emotionen statt wenigstens auch Zahlen berücksichtigt.
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Der dritte Punkt von dir beleuchtet wohl das größte Missverständnis und eine wie ich finde ziemlich erhellende Annahme von Atomkraftgegnern: Dass Atomkraftbefürworter
a) gegen EE sind. Das ist wohl das häufigste schwarz-weiß Denken. Es ist mental gesehen schlicht eine Projektion, weil fast alle EE-Fans ...gegen Atomkraft sind. Eng verwandt ist die Annahme
b) sie 100% Atomkraft wollen. Wieder eine Projektion: Weil EE-Fans fast immer Dogmatiker mit 100% EE sind. Ich dagegen bspw bin für einen, weil wsl für D optimalen, Mix von 80% EE und nur 20% Kernkraft - als Kernkraftbefürworter! Deshalb ist ja der Vorwurf so stark, dass EE-Fans sehr oft Ideologen und Dogmatiker sind, weil sie alles andere verneinen - nicht mal 5% dürfte eine andere Technologie haben, was dann mit Hilfsargumenten wie "nicht kompatibel" versucht wird zu rationalisieren. Während viele seriöse Atomkraftbefürworter selbstverständlich in EE eine sehr gute Option sehen, sogar für einen großen Anteil der Energieerzeugung eines Landes. Eben immer die verschiedenen Faktoren berücksichtigend. Somit klärt sich auch dein dritter Punktn, nämlich
c) dass Atomkraft dann auch noch für alle Länder praktikabel sein soll. Selbstverständnlich nicht, und damit erledigt sich auch dein dritter Punkt mit den Uranressourcen: Wieso sollten finanziell und politisch unsichere Entwicklungsländer, die dazu noch weitaus bessere Voraussetzungen als wir in D für EE haben, AKWs bauen? Das fordert kein vernünftiger Energiewissenschaftler.
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Fazit:
- Unkenntnis von Größenordnungen (durch Fakten, Zahlen) ist das größte Defizit in der Diskussion um Atomkraft. Stattdessen größenlose, oftmals emotionalisierte Schwarz-weiß-aussagen über "Gefährlichkeit", "Müll" und "Kosten".
- Zusammen mit dem dann notwendigen Vergleich zu anderen Technologien, wie diese in Umwelt- oder sonstigen Kritierien (s. link Todesstatistik oben) abschneiden.
- Schließlich eine Unkenntnis über den sinnvollen Einsatz von Atomkraft - weder "100% Atomkraft" für Deutschland, noch "Atomkraft für jedes Land der Welt - somit retten wir die Erde."