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  • knarr

mehr als 1000 Beiträge seit 14.05.2007

meinen Dank

derJ_2bc schrieb am 18.06.2018 16:02:

Lesenswerter Link, danke. Steht die Zeit still?

Ich glaube schon, der ganze Rest bewegt sich samt unsereins durch sie hindurch. Allem Anschein nach hat sich die Welt weitergedreht, nachträglich meinen Dank für den Hinweis auf den Teil über "Der Fall Wagner"!

F. Nietzsche, Ecce Homo, 2. Kapitel, 1908

Die Anführungszeichen sprechen Bände, die manchem Geschichtsbuch fehlen.. Nietzsche ist mit Vorsicht zu genießen, Vereinnahmung und Übermensch-Umdeutungen sind hinlänglich bekannt (dazu sehenswert "Wahnsinn! Nietzsche" Dokumentation, 2017).

Allerdings, vielen Dank. Die Doku Lief bei arte, findet man auf YouTube.

Aber zum 100jährigen Jubiläum der Textveröffentlichung, zu Lutherjahr und Nationalismus, Christen, Juden, Rassismus, Extremismus, Deutschland und Europa darf der Text nicht fehlen, es ist alles dabei. Erst ein gutes halbes Jahrhundert später sprach Hannah Arendt wieder von einem "Hans Wurst"...

Resonanz. Dass dieser "Hans Wurst" gegrillt wurde beschäftigt heute immer noch einige Menschen.
> https://www.stuff.co.nz/national/104068961/Flashback-Why-the-execution-of-notorious-Nazi-Adolf-Eichmann-still-resonates

Wenn es nicht so bitter wäre - wann fing das an mit "Schummelsoftware"...?

https://de.wikipedia.org/wiki/LTI_%E2%80%93_Notizbuch_eines_Philologen

"Schummelsoftware" :-) ist im Zusammenhang mit der Sprache eine sehr schöne wie treffende Metapher, glaube ich.

Meinem Mängelexemplar Ecce Homo folgt nach dem Teil über Friedrich Nietzsches Fall Wagner Nietzsche's Erklärung, warum er "ein Schicksal (sei)" ("Warum ich ein Schicksal bin" - das "nur" hatte er sich mutmaßlich mit Absicht erspart):

Ich bin kein Mensch, ich bin Dynamit. – Und mit Alledem ist Nichts in mir von einem Religionsstifter – Religionen sind Pöbel-Affairen, ich habe nöthig, mir die Hände nach der Berührung mit religiösen Menschen zu waschen ... Ich will keine »Gläubigen«, ich denke, ich bin zu boshaft dazu, um an mich selbst zu glauben, ich rede niemals zu Massen ... Ich habe eine erschreckliche Angst davor, dass man mich eines Tags heilig spricht: man wird errathen, weshalb ich dies Buch vorher herausgebe, es soll verhüten, dass man Unfug mit mir treibt ... Ich will kein Heiliger sein, lieber noch ein Hanswurst ... Vielleicht bin ich ein Hanswurst ... Und trotzdem oder vielmehr nicht trotzdem denn es gab nichts Verlogneres bisher als Heilige – redet aus mir die Wahrheit. – Aber meine Wahrheit ist furchtbar: denn man hiess bisher die Lüge Wahrheit. – Umwerthung aller Werthe: das ist meine Formel für einen Akt höchster Selbstbesinnung der Menschheit, der in mir Fleisch und Genie geworden ist. Mein Loos will, dass ich der erste anständige Mensch sein muss, dass ich mich gegen die Verlogenheit von Jahrtausenden im Gegensatz weiss ... Ich erst habe die Wahrheit entdeckt, dadurch dass ich zuerst die Lüge als Lüge empfand – roch ...

Bettina Stangneth - vor einigen Jahren schwerst beschäftigt mit dem Eichmaß eines Hans Wurst des vorigen Jahrhunderst, auch im gedanklichen Dialog mit Arendt ("Eichmann vor Jerusalem") - meint, der Mensch sei zu "Lügen lesen" allerdings nur aufrichtig in der Lage. Philosophie erscheint als probates Spülmittel zur Klärung der Begriffe wider unsere "Schummelsoftware".

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