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  • Ignatius

mehr als 1000 Beiträge seit 25.06.2001

Re: Wahl der Kröte

Konrad Lehmann schrieb am 22.06.2018 14:54:

Nach allerhand Zurechtrücken von inkongruenten Begriffen (das sicherlich noch nicht völlig abgeschlossen ist) sind wir uns, glaube ich, in einem zentralen Punkt einig: Eine Ontologie, die sowohl der Erfahrung (Ich erlebe die Welt) als auch der Logik als auch der Quantenphysik standhalten will, braucht ein Subjekt. Mindestens eins.

Passt. Nach meiner Typologie oben haben wir also beide mal ein B. Jetzt gibts nur mehr 4 Möglichkeiten: klass. Idealismus (B), klass. Dualismus (M+B), der "Doppelidealismus" (B+G) und den Trialismus (M+B+G).

Außerdem braucht das Subjekt ein Gegenüber, denn sonst sind wir im Solipsismus, und da ist es zu einsam.

Damit wäre wie ich meine zumindest der klass. Idealismus aus dem Rennen, da kein Einbettungsmedium mehr vorhanden ist, um die Subjekte verbinden. Ich seh in der Forderung auch das Hauptproblem mit B+G, da G wie ich meine kein taugliches Medium darstellt. Es müssten quasi die kollektiven Gedanken aller Subjekte sein. Für den Kunstgriff des Nirvana-Subjekts (sind eh alle irgendwie dasselbe Subjekt) kann ich mich nicht besonders erwärmen. Auch dann hast Du bei den Gedanken noch das Konsistenzproblem: Du musst bei den Teilsubjekten noch irgendeinen "Verdummungsfaktor" ins Spiel bringen, denn unfehlbar sind wir ja nicht und Widersprüche treten doch unzweifelhaft auf.

Damit kommen unter den Ontologien, welche die Philosophie bis heute hervorgebracht hat, eigentlich nur zweie wirklich infrage, nämlich ein Idealismus, der irgendeine Form von Ding an sich beinhaltet, oder ein Substanzdualismus (ich bleibe mal bei den Benennungen, die ich gewohnt bin).

Trialismus ist natürlich rein technisch auch im noch Rennen, auch wenn ich meine, dass so eine Ontologie dann schon etwas zu laut nach Ockhams Rasiermesser schreit. Nicht alles wofür's ein Wort gibt, muss gleich seinsmächtig sein.

Also praktischerweise die beiden Modelle, denen wir beiden jeweils zuneigen. (Den Panpsychismus würde ich trotz Deiner vernünftigen Einwände gerne noch zur Wiedervorlage abheften. Er hat seinen Reiz, und, wie vielfach festgestellt: Kröten lauern überall.)

Panpsychismus halt ich eher für eine Spielart das Physikalismus. Jedenfalls läuft man de facto in dieselben Probleme (und noch einige dazu). Auch wenn alles ein (substanzbewährtes) Bewußstsein hat, so bliebe unser eigenes doch immer noch ein kollektives Phänomen und damit akzidental.

Jeder der beiden Standpunkte hat seine Vor- und Nachteile.
Als Schopenhauerianer (wenn ich mir diesen Hut mal aufsetze) vertrete ich ein zwar in sich widerspruchsfreies System, das aber wenig intuitive Schlüssigkeit hat. Ich halse mir obendrein den "Willen" bzw. das Ding an sich auf, das, wie Schopenhauer selbst feststellte, logisch korrekt gar nicht erschlossen werden darf, weil es sich ja außerhalb des Gültigkeitsbereichs der Kausalität befinden soll. Und ob ich ihm dahin folgen will, dass ich den Willen in mir als Ding an sich spüre . . . ? Na ja.

Ist in dieser Lesart vom Panpsychimus eh nicht mehr allzuweit entfernt. Es macht nicht allzuviel Unterschied, ob ich der Materie das Bewußstsein oder dem Bewußtsein die Materie aufhalse.

Man kann das aber auch anders lesen: Was, wenn mit "logisch erschließen" bzw. der Kausalitätsbedingung bloß die Nichtexistenz eines (formalen, mechanischen und natürlich deterministischen) logischen Kalküls gemeint ist. Das schließt andere mathematische Formalismen nicht aus. Und ja, echter Zufall ist metamathematisch gar nicht so sauber zu fassen - auch wenn jeder intuitiv versteht, was gemeint ist und es kein Problem ist, damit zu rechnen. Bliebe natürlich immer noch das Problem, dass der "Wille" sowohl für die Subjekte als auch für die Physik zuständig sein soll.

Aber ohne Ding an sich bin ich im Solipsismus. - Außerdem finde ich weiterhin, dass auch Beobachtungen, die ich durch Hilfsmittel (experimentelle Apparaturen) mache, Wahrnehmungen sind. Du bist da anderer Ansicht, aber ich fände jede Grenze zwischen einer Brille und einem Hubble-Teleskop willkürlich.

Da bin ich ganz bei Dir. Nur bei mir gehört sogar noch der Sehnerv zum Teleskop. Erst beim Erleben, das den neuralen Zustanden nachläufig ist, geht bei mir los. Bei dir dagegen gehört nicht nur das Hubble-Teleskop sondern auch die Uni-Bibliothek, das Internet und überhaupt alles dazu. Ich fasse den Begriff der Wahrnehmung minimal (also auch exklusive Freges "Reich der Gedanken") - Du fasst ihn maximal (um ihn dann damit gleichzusetzen).

Beides ist jedenfalls eleganter, als irgendwo dazwischen eine Grenze zu ziehen - genauso wie das "auf der andern Seite" bei den Systemgrenzen der QM der Fall ist. Zusammenfallen tun beide Grenzen aber nur bei meinem Ansatz (was ja auch die ursprüngliche Motivation war).

Und dann hat Schopenhauer das Problem, dass seine drei Modi der Anschauung nicht alle Wahrnehmungen umfassen.

Da muss man sehr vorsichtig sein. Ein Modell, dass alle denkbaren Modi der Modellbildung umfasst kann es nicht geben - es wäre beweisbar widersprüchlich. Cantor ist mit seiner Mengenlehre da auch gewaltig auf die Nase gefallen (und das noch lange vor Gödel).

Als Dualist kannst Du die materielle Welt, an welcher der Physiker forscht, für bare Münze nehmen. Aber Du brauchst einen unendlich großen Vorrat an Subjekten,

Unendlich nicht unbedingt. Unser Universum ist ja auch nicht unendlich. Aber wohl mehr als die klassischen 144000. ;-)

die auf unklare Weise entstehen und mit Gehirnen verkoppelt werden,

Ja. Das Verkopplungsproblem hat man aber in der einen oder anderen Form immer: Beim Dualismus eben als Parallelismusproblem, sonst brauch ich ein Epiphänomen oder jedenfalls einen Dämon und wenn's nur ein "echtes" Subjekt gibt, dann hab ich genau dieselben Probleme, nur halt für "Teilsubjekte". Es ist die Mutter aller Kröten.

und in diesen Gehirnen dann eigentlich nichts tun.

Das dagegen würd ich eher als eine große Stärke des dualistischen Ansatzes betrachten. Er hält die Subjekte so "light" wie möglich - sie brauchen nur zuschaun und kollabieren was sie sehen. Nicht so "light" wie ein Elementarteilchen in der Physik - auch "nackte" Erlebnisfähigkeit lässt sich nicht so einfach in ein paar Formeln gießen. Aber es sind auch keine "heavy weight objects", die nebenbei noch eine ganze Welt mitmodellieren müssen.

Ja, Du kannst ihre Existenz in Anderen noch nicht einmal feststellen. Das einzige Subjekt, von dem Du sicher weißt, ist Dein eigenes. Und damit wären wir dann schon wieder einen Schritt vor Schopenhauers Studierzimmertür . . .

Solipsismus ist mit jeder Ontologie zu machen - und wird immer einfacher sein als mehrere Subjekte (egal ob "echte", "Epi-" oder "Teilsubjekte"). Letztendlich muss man ihn axiomatisch wegpostulieren, sonst erzwingt ihn der Herr Ockham.

ignatius

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