Nützy schrieb am 25.07.2017 06:42:
teutolith schrieb am 24.07.2017 08:53:
Der Begriff "Neoliberalismus" hat seine Bedeutung im Laufe der Jahrzehnte gewandelt und wird heute anders verwendet als früher.
Das ist eben nicht passiert. Der Begriff ist zu einem Kampfbegriff geworden und definitive Bedeutung. Früher hat er eine Strömung des Liberalismus bezeichnet, bzw. viele davon.
Erzähl das mal den Autoren eines wissenschaftlichen Buches über diesen "inhaltsleeren Kampfbegriff".
"At a base level we can say that when we make reference to 'neoliberalism', we are generally referring to the new political, economic and social arrangements within society that emphasize market relations, re-tasking the role of the state, and individual responsibility. Most scholars tend to agree that neoliberalism is broadly defined as the extension of competitive markets into all areas of life, including the economy, politics and society."
https://www.routledge.com/The-Handbook-of-Neoliberalism/Springer-Birch-MacLeavy/p/book/9781138844001
Das Ganze ist überhaupt ein Thema, weil viele Neoliberale sich selbst nicht so nennen wollen. In ihrem Selbstverständnis ist ihr Denken "unideologisch", und sie behaupten, einfach nur die Realität anzuerkennen, statt irgendwelchen spinnerten Utopien anzuhängen.
Weil "Neoliberal" ein reiner Kampfbegriff ist, bezeichnen sich nur wenige Leute freiwillig so.
Genauso wie es nur wenige "Ökosozialisten" gibt, auch wenn es Ideologien gibt, die man so bezeichnen könnte.
Welcher Kampf? Kampf der Ideologien? Wenn man jemanden einen Neoliberalen nennt, weiß jeder, was die Grundideen sind, die damit gemeint sind. Da kann der Angesprochene sich noch so sehr "angegriffen fühlen", erstmal ist das nichts weiter als eine Zuordnung zu einer bestimmten Denkrichtung.
Dabei ist dieser "unideologische" Glaube, z. B. an die Allmacht der Marktkräfte oder die Schädlichkeit staatlicher Eingriffe, gerade der Kern ihrer Ideologie.
Allmacht erinnert mich eher an den Kommunismus als an Marktliberale.
Es gibt Leute die staatliche Eingriffe an sich reduzieren wollen, aber sie sind im Liberalismus nicht der Mainstream und sie haben in Deutschland so gut wie nie eine politische Rolle gespielt. Man drischt hier also auf eine "Ideologie" ein und macht sie für Dinge verantwortlich, die eigentlich aus einer anderen Ecke kamen!
Interessant. Bei dem "Eindreschen" werden genau die Leute getroffen, die genau die Ideen vertreten, die unter dem Namen Neoliberalismus bekannt sind und die die soziale Marktwirtschaft in den vergangenen dreißig Jahren gründlich ruiniert haben. Dreißig Jahre lang hatten sie eine riesengroße Schnauze, haben uns was von "Eigenverantworung" und "staatsgläubigen Minderleistern" erzählt, und jetzt, wo sie es geschafft haben, die Welt an den Abgrund eines wirtschaftlichen Zusammenbruchs zu manövrieren, gerieren sie sich plötzlich als unschuldige Opfer unfairer Angriffe.
Es ist mir letzten Endes scheißegal, ob jemand sich selbst gerne oder ungerne neoliberal nennen läßt. Neoliberalismus ist der Begriff für das politische Programm, das uns die vergangenen Jahrzehnte vesaut hat und höchstwahrscheinlich auch die kommenden versauen wird, und wer dieses Programm unterstützt hat und unterstützt, ist ein Neoliberaler.