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  • Ho Tsen Plots

mehr als 1000 Beiträge seit 25.09.2016

Re: Nicht Ursache und Wirkung verwechseln

Die Zeiten haben sich geändert, das wissen Sie auch. Noch zu Beginn der 90er Jahre war auf den Straßen in Berlin-Kreuzberg und Neukölln so gut wie kein Kopftuch zu sehen, und wenn, dann trugen es hauptsächlich ältere Frauen aus Anatolien.

Sehr gut und sehr persönlich beschreibt diesen Wandel Imad Karim in seinem Text "Ihr, meine Kinder, rettet mein Deutschland“:

https://www.tichyseinblick.de/gastbeitrag/ihr-meine-kinder-rettet-mein-deutschland/

Nun stellt sich die Frage, warum diese Hinwendung der Deutschtürken zum traditionellen Islam bei gleichzeitig zunehmender Verachtung der Deutschen und ihrer Kultur stattgefunden hat. Was sind die Ursachen dafür, dass sich nicht nur viele der vormals religiös eher moderaten Deutschtürken, sondern auch gerade deren Kinder und Enkel von der deutschen Gesellschaft abgewandt haben?

Sicher kennen Sie das Buch "Ganz unten" von Günter Wallraff, in dem er den Rassismus der Deutschen gegenüber den türkischen "Gastarbeitern" beschreibt.
Man könnte also zu der Auffassung gelangen, dass die erfahrene Ausgrenzung der Eltern- und Großelterngeneration der Deutschtürken sowie ein Gefühl des Zwischen-den-Stühlen-Seins der Enkel die Zuflucht in die Religion als identitätsstiftendes Element befördert hat.
Wahrscheinlich ist das einer der Gründe. Aber reicht das als Erklärung?

Tuba Sarica sieht einen Grund in dem zunehmenden Einfluss der whahabitisch geprägten Islamverbände sowie der islamischen Indoktrination in den Moscheen.

Meiner Meinung nach hat die Empfänglichkeit für eine archaisch geprägte Religionsauffassung und die bewusste Abgrenzung gegenüber der deutschen Gesellschaft sehr viel mit der sozio-kulturellen Prägung zu tun.
Nehmen wir als Beispiel die Kinder und Enkel der DDR-Vietnamesen: Diese sind als wenig gebildete Vertragsarbeiter in die DDR gekommen, haben Ausgrenzung und Rassismus erlebt und waren nach dem Mauerfall mehr oder weniger auf sich allein gestellt. In Berlin-Lichtenberg gab es komplette Wohnblocks, die ausschließlich von Vietnamesen bewohnt waren. Was haben diese Leute gemacht? Sie haben sich durchgeschlagen, Blumen-, Gemüseläden und Restaurants aufgemacht und bis zum Umfallen gearbeitet, um ihren Kindern eine bessere Zukunft zu ermöglichen und aus diesen gut integierte, gebildete Mitglieder der Gesellschaft zu machen. Seit Jahren zählen die Kinder der Vietnamesen zu den besten Schülern in Lichtenberg. Ähnlich war es mit den Boat-People in Westdeutschland.

Das genaue Gegenteil sehen wir bei vielen Nachfahren der Deutschtürken: Bildungsverweigerung, hohe Schulabbruchraten, Abdriften in die Kriminalität etc. Das soll keine Verallgemeinerung sein. Ich beziehe mich auf die statistischen Daten, und die sind eindeutig.

Was ist also Ihrer Meinung nach die Ursache dafür, dass von allen Einwanderergruppen, abgesehen von den Roma, nur eine ständig Probleme bereitet, nämlich die aus dem islamischen Kulturkreis stammende?

Bezüglich Erdoğan haben Sie mich übrigens missverstanden. Ich meinte nicht, dass er die Ursache ist, sondern nur, dass es ihm gut ins Konzept passt, einen Großteil der Deutschtürken, die sich der Integration verweigern und die Erdoğan-geprägte Türkei durch die rosarote Brille sehen, hinter sich zu wissen.

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