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  • Guckstu

mehr als 1000 Beiträge seit 18.03.2024

Re: Was ist das jetzt für ein Artikel

Jeydan schrieb am 27.09.2024 22:13:

Guckstu schrieb am 27.09.2024 12:41:

Nee, die greifen schon auch militärische Ziele an.
Und den Terror machen sie nicht um des Terrors willen, sondern um militärische Ziele durchzusetzen.
Sie verletzen halt dabei alle möglichen Verträge, die sie selbst mal unterschrieben haben, und begehen Kriegsverbrechen, aber es geht ihnen wohl nicht darum, die schlimmsten Verbrechen aller Zeiten zu begehen, sondern das ist schon ein rationales Ziel dahinter; das ist durchaus ein Unterschied zum Vernichtungsfeldzug eines gewissen schnauzbärtigen Herrn Mitte der 1900er Jahre.

Ok, ich seh was du meinst - ich bin mir trotzdem nicht sicher ob es rationales Verhalten ist.

Das liegt oft auch sehr im Auge des Betrachters.
Im Mittelalter war es absolut irrational, die Existenz eines Schöpfergottes anzuzweifeln. Wie sonst sollte denn aus Samen eine Pflanze werden? Woher sonst hätten die Farben und die Schönheit der Natur kommen sollen? Wer die naturwissenschaftlichen Zusammenhänge nicht kennt, kann da rational keine bessere Erklärung finden, es ist unmöglich.
Und die russische Realitätssicht weicht tatsächlich erheblich von der westlichen ab, wenn auch in einer völlig anderen Weise. Sie unterscheiden z.B. zwischen Prawda (erwünschte Wahrheit) und Istwina (reale Wahrheit), aber im öffentlichen Diskurs findet nur die Prawda statt, die Istwina ist nur für "am Küchentisch" (russische Redewendung): Sowas erzeugt einen völlig anderen Diskurs, es zählen andere Argumente, und schon kommen auch andere Ergebnisse beim Diskurs heraus.

Und dann gibt es natürlich auch die Sache, dass man in der Realität nicht immer vom Ergebnis auf die Rationalität schließen kann.
Putin hat sicherlich angenommen, dass er in der Ukraine einfach durchmarschieren kann, sein Angriff war also völlig rational (wenn auch ethisch Mist, aber das interessiert einen Putin ja nicht).
Als der Angriff gescheitert ist, hatte er aber schon ein paar Teilerfolge, im Süden und im Osten. Also war es durchaus rational, zumindest den Donbas und die Schwarzmeerküste einnehmen zu wollen. Die Ukrainer hatten seine Armee mit Mobilität besiegt, also hat seine Armee konsequent auf eine statische Front gesetzt und da auch tatsächlich Erfolge erzielt; zwar unter schrecklichen Opfern, aber wie gesagt: Putin interessiert sich nicht für Ethik, er interessiert sich für Ergebnisse.
Er weiß offensichtlich, dass Russland nicht gegen die volle Macht der NATO bestehen kann. Er hat es selbst gesagt: Er hält den Westen für "dekadent" und definiert das sogar: Kriegsunwillig. Was für einen Militaristen bedeutet: Hier ist das Militär ein Hebel, den er ansetzen und Ergebnisse erzielen kann; wirtschaftlich kann er nicht mit dem Westen konkurrieren, also muss er es militärisch versuchen.
Und damit er von der NATO nicht einfach überrollt wird, muss er Propaganda machen, um den Kriegswillen im Westen weiter zu dämpfen.

Alles lauter rationale Einzelentscheidungen.
Vieles hat halt nicht geklappt, beispielsweise war der Westen sehr viel entschlossener als erwartet; andererseits ist der Westen sehr viel weniger entschlossen als befürchtet, und er hat immer noch Chancen, und nur deshalb bläst er die Aktion immer noch nicht ab.

Würden die EU-Staaten ihre Armeen geschlossen an die Grenzen bringen und Russland den Krieg erklären, Russland würde noch am gleichen Tag packen und heimgehen, mangels Erfolgsaussicht.
Solange die Hilfe so zögerlich kommt, hat Russland die Chance, dass irgendwann die Schwankungen doch zuviel werden und die ukrainische Front an irgendeiner Stelle zusammenbricht. Also macht Putin - völlig rational - weiter. Aber eben auch als Arschloch: Er verheizt seine Armee rücksichtslos; er MUSS jetzt hoch pokern und seinen Bluff möglichst glaubwürdig durchziehen, sonst kann er gleich aussteigen aus dieser Partie.

Und auch das ist rational: Da er nicht wirklich verlieren kann, weil ihm ja das Staatsgebiet garantiert bleibt, hat er auch kein allzu hohes Risiko, wenn er den Krieg weiterführt, also tut er das.
Eine kaputte Wirtschaft kann er überstehen, einen verloren Krieg zu überstehen ist viel schwieriger.

Soweit ich weiss, haben Angriffe auf Zivilbevölkerungen noch niemals einen Krieg beendet...

Doch.
Die Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki.

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