Rekord - so viel Irrealis in einem einzigen Interview war noch nie. Schwalb geht von völlig falschen Voraussetzungen aus, nämlich dem guten Willen des Westens, was in der Behauptung kulminiert:
Da wir militärische Lösungen ausgeschlossen haben, ist die Kreativität der Diplomatie gefragt.
Nun weiss man nicht genau, wen genau er mit 'wir' hier meint. Auch schwingt ein 'wir, im Gegensatz zu denen' mit. Selbstverständlich ist niemand auf eine militärische Auseinandersetzung zwischen Atommächten aus. Ausgeschlossen wird sie aber von keinem. Wenn es gründlich schief geht...
Und die 'Chancen' dafür stehen gut. Denn im Westen denkt niemand daran, die russischen Forderung, Rückzug der nato auf Sicherheitsabstand, zu erfüllen. Ganz im Gegenteil, der Traum, den eurasiatischen Riesen zu zerstückeln, wird weiter geträumt. Von der etwas weniger megalomanen Vorstellung China und Russland auseinander zu dividieren, ist man dazu übergegangen, sie einer nach dem anderen kastrieren zu wollen. U.s.-Thinktanks haben das vor Jahrzehnten so geplant und seitdem werden diese Pläne abgearbeitet.
Wer das wie Schwalb ausblendet und von Sicherheitsordnung schwadroniert, nachdem der diesbezügliche Status quo von westlicher Seite immer weiter zu den eignen Gunsten verschoben worden ist, also die bestehende Struktur sukzessive geschwächt wurde, macht sich lächerlich. Verräterisch das Ausweichen auf die Frage nach den Einflusszohnen. Implizit ein Eingeständnis, dass die imperiale Zentrale selbst in aller Natürlichkeit darauf besteht - eine Stationierung russischer Kräfte schon nur in Venezuela, das immerhin noch ein Stück weit weg von den usa liegt, wird von weniger verdrucksten Naturen als nicht hinnehmbar dargestellt -, während im Fall von Russland die Dinge ganz anders lägen, wohl weil man sich aufs westliche Ehrenwort verlassen könne...
Die russische Regierung will physischen Abstand und bindende Verträge, aus leidvoller Erfahrung. Und unter gewissen Umständen wird sie auch das Erpressungspotential nutzen, das ihr die Energieexporte verleihen. Eine solche Verhaltensweise ist dann nicht mehr ein Alleinstellungsmerkmal des Westens. Wir erinnern uns - in Afghanistan herrscht eine Hungersnot, grosse Teile der Bevölkerung riskieren den Hungertod, was den Westen nicht vom Versuch abhält, die Taliban durch Verweigerung der nötigen Mittel - afghanische Guthaben -, um das Problem zu lindern, zu erpressen. Wer so handelt und dann noch etwas von Werten faselt, verdient nur noch Verachtung.