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  • joribo

mehr als 1000 Beiträge seit 06.09.2013

Re: Das kenn ich

In meiner direkten Verwandschaft sind Personen, die 1945 als Flüchtlinge aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten kamen und die Zeit im Flüchtlingstreck nur mit viel Glück überlebt haben.
Sie haben unfassbare Greueltaten der roten Armee gesehen und mir berichtet. Es besteht kein Zweifel an der Richtigkeit.
Später hatten wir Nachbarn aus Ostpreussen die dasselbe erfahren hatten.
Und schliesslich, als ich in Schleswig-Holstein lebte, war unsere Nachbarsfamilie Flüchtlinge aus Danzig. Auch hier absolut glaubwürdige Berichte von Greueltaten an der wehrlosen Zivilbevölkerung.
Das erklärt auch die Panik die 1962 in der Kubakrise ausbrach. "Die Russen kommen" war ein Schlagwort was praktisch die Hälfte der Bevölkerung in Panik in den Keller rennen liess.
Ich habe das alles so um 1957 bis 1970 rum zur Kenntnis genommen. Aber das hat mich nicht in Russenhass versetzt sondern ich habe mir gedacht "man müsste mal rausfinden warum das alles so war".

Es gibt dafür m.E. 3 Erklärungen.
Die Erste wäre dass die deutsche Wehrmacht ebenso Frauen vergewaltigt und geplündert hat und sogar Menschen in Häuser eingesperrt und diese angezündet. Das waren vergleichbare Greueltaten, die dann damit gerechtfertigt wurden dass das ein Nest von Widerstandskämpfern/Saboteuren/Attentätern sei. Somit wurde das als gerechte Vergeltungsaktion berichtet und nicht als Massaker an Zivilisten.
Die Belagerung von Leningrad, die über 1 mio Zivilisten das Leben gekostet hat, ist auch so ein Punkt über den nie gross berichtet oder diskutiert wurde. Wir hatten das nicht im Geschichtsunterricht.

Die zweite Erklärung wäre, dass der Sadismus mit dem die Greueltaten der roten Armee verübt wurden, nicht typisch russisch war. Sondern es waren in der roten Armee ja auch massenhaft Nicht-Russen, teilweise aus Naturvölkern bei denen Grausamkeit etabliert war. Man lese dazu die Geschichte und Kultur der Chukchi, gut berichtet von Wladimir Bogoras in seinen völkerkundlichen Büchern.

Die dritte Erklärung mag in der Person Stalins zu finden sein, der vermutlich den Soldaten erlaubte zu tun was sie nur Lust hätten, wenn sie nur den Krieg gewinnen würden.

Zum Glück ebbt dieser emotionale Russenhass jetzt ab. Ich habe meinen Kindern beides erzählt, Grausamkeiten beider Seiten im Krieg. Das nehmen die zur Kenntnis aber es ist für sie reine Geschichte und steckt nicht als tief verwurzeltes Trauma in der Psychologie wie das bei meinen Eltern und Grosseltern war.

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