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  • hdwinkel

mehr als 1000 Beiträge seit 16.06.2012

Geht es wirklich um unseren Geschichtsrevisionismus?

Der Gedankengang liegt zwar nahe, dass mit dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine ein deutscher Geschichtsrevisionismus auflebt, der die Niederlage von damals nun endlich vergessen macht.
Das mag für viele gerade Westdeutsche vielleicht relevant sein, die eigentlich nur eine antirussische Kontinuität im und nach dem WK2 kennengelernt haben und die auch nach dem Ende des Kalten Krieges nicht aufgehört hatte.
Das erklärt aber nicht das behördliche Verbot der sowjetischen Flagge.

Meine Vermutung (und nein, ich habe keinen Beleg dafür aber durchaus plausible Gründe) ist hier eine andere: Das Verbot könnte eine Bitte der ukrainischen Behörden sein, für die die sowjetische Flagge noch einmal eine ganz andere Bedeutung hat.

Die hiesige Politik und Medienwelt tut sich ja schwer, die Ursachen für den Angriff Russlands zu erklären. Meist wird dabei ein russischer Imperialismus genannt.
Das ist auch nicht ganz verkehrt, aber die bedeutendere Ursache ist meiner Meinung etwas anderes - nämlich der Kampf verschiedener Identitäten und Historienbildern in der Ukraine, kurz es ist ein Konflikt verschiedener Nationalisten.
Sinnbildlich verkörpert durch solche Figuren wie Bandera und Stalin.
Während in der Westukraine vorwiegend ein ukrainischer Nationalist und Faschist Bandera aktiv verehrt wird
(siehe z.B. https://laender-analysen.de/ukraine-analysen/270/einstellung-zu-stepan-bandera/ )
waren es im Osten die sowjetischen Führer wie Stalin.

Und nein, das ist eben kein Problem kleiner Minderheiten an einem historisch kleinen Zeitabschnitt, den Maidan 2013/14 betreffend.
In der Ukraine findet der Kampf um die geschichtliche Deutungshoheit nach wie vor statt, mit einem unbefriedigenden Ergebnis, was nicht nur Russland sondern auch die Ukraine betrifft, siehe hier z.B.
https://www.nzz.ch/international/stepan-bandera-ein-schwieriges-erbe-fuer-die-ukraine-ld.1694674

Die Ukraine ist dabei, den sowjetischen Teil der eigenen Geschichte nicht nur zu verleugnen, sondern so umzugestalten, dass sie zu einem anti-russischen ukrainischen Gründungsmythos wird.
Und der verträgt sich nunmal nicht mit der Roten Armee und der Sowjetunion von damals.
Für die Ukraine von heute war die Sowjetunion Gegner und damit auch deren Symbole.
siehe z.B. https://www.fr.de/politik/ukraine-kiew-statue-mutter-heimat-dreizack-hammer-sichel-sowjetunion-dekommunisierung-92450905.html

Und irgendwie halte ich es für nicht unwahrscheinlich, dass sich deutsche Behörden diesem Geschichtrevisionismus einfach dadurch anschließen, weil er von der Ukraine forciert wird.

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