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  • Pearphidae

mehr als 1000 Beiträge seit 14.11.2021

Re: Das Völkerrecht ist obsolet.

SundancerY2K schrieb am 17.07.2024 20:58:

Die NATO schütze die Staaten einfach nur vor Völkermorden durch die Serben.

Zunächst mal eines vorab:

„Für ein geheimes Programm oder einen auf serbischer Seite vorhandenen stillschweigenden Konsens, das albanische Volk zu vernichten, zu vertreiben oder sonst in der vorstehend beschriebenen extremen Weise zu verfolgen, liegen keine hinreichend sicheren Anhaltspunkte vor".
– Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster vom 24. Februar 1999 (Az: 14 A 3840/94.A)

Ich habe mal die entscheidende Passage unterstrichen, die nichts anderes besagt, als dass die Untersuchung der UN-Kommission zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen war. Es ging in dem Urteil um Asyl-Verfahren.

19. Wie erklärt sich die Bundesregierung ferner, dass zahlreiche Verwal-
tungsgerichte auf Grundlage dieser vom Auswärtigen Amt zur Verfügung
gestellten Lageberichte nicht zu dem Schluss kommen, dass „ein gehei-
mes Programm oder ein auf serbischer Seite vorhandener stillschweigen-
der Konsens, das albanische Volk zu vernichten, zu vertreiben oder sonst
in der vorstehend beschriebenen extremen Weise zu verfolgen“ existiert
(so exemplarisch Oberverwaltungsgericht Münster vom 24. Februar 1999
(Az: 14 A 3840/94.A)?

Die Verwaltungsgerichte erforschen den Sachverhalt in den von ihnen zu ent-
scheidenden Asylverfahren gemäß Paragraph 86 Verwaltungsgerichtsordnung
von Amts wegen unter Heranziehung aller verfügbaren Erkenntnisquellen. Die Gerichte entscheiden in eigener Zuständigkeit und Verantwortung, ob die vom
Bundesverwaltungsgericht entwickelten Kriterien für eine Gruppenverfolgung
im Einzelfall vorliegen. Die Lageberichte des Auswärtigen Amtes sind mit dem
Datum ihrer Erstellung versehen. Bei Anhaltspunkten für eine gravierende
plötzlich eintretende Veränderung der Lage im Herkunftsstaat kann jedes
Gericht sich durch Nachfrage beim Auswärtigen Amt vergewissern. Außerdem
erstellt das Auswärtige Amt – soweit möglich – in solchen Fällen Ad-hoc-
Berichte über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage.

● https://dserver.bundestag.de/btd/14/059/1405905.pdf

ausserdem schreibt Wikipedia:

Am 11. Mai 1999 versendete der deutsche Verteidigungsminister an die Abgeordneten des Bundestages eine schriftliche Information, die besagte, es sei seit April bekannt, dass „die Vertreibungen und gewaltsamen Übergriffe keineswegs unmittelbare Reaktionen auf die Luftangriffe der Allianz, sondern von vorneherein Teil der so genannten Operation 'Hufeisen' “ seien, die bereits Ende des Jahres 1998 entwickelt und seit Beginn des Jahres 1999 ausgeführt wurde.
[...]
Die Existenz des Planes wurde schon früh angezweifelt.
[...]
Anfang April hatte die Glaubwürdigkeit der Regierung bereits durch „peinliche Fehlinformationen über angebliche Greuel der Serben, die Scharping angeprangert hatte“, Schaden genommen. Weder die Existenz von Konzentrationslagern, noch die von Massenexekutionen durch die Serben hatten sich bewahrheitet. „Auch mehrere als ermordet gemeldete kosovoalbanische Intellektuelle“, so drückte es Der Spiegel aus, „tauchten plötzlich wieder auf

Interessant dazu auch die Le Monde diplomatique:

Das Märchen vom Hufeisenplan

Vor 20 Jahren, am 24. März 1999, begann die Nato ihre Luftangriffe gegen Serbien. Der Krieg wurde durch Falschinformationen befeuert, mit denen westliche Regierungen die öffentliche Meinung für die militärische Lösung einnehmen wollten.

Und natürlich war der Angriffskrieg der NATO ein Völkerrechtsbruch.

Die TAZ schreibt in einem absolut lesenswerten Artikel:

Völkerrecht gebrochen

Mit ihrem Krieg gegen Jugoslawien ohne UN-Mandat haben die Nato-Staaten das Völkerrecht gebrochen und dabei die Öffentlichkeit manipuliert.
[...]
Die "Androhung und Anwendung" zwischenstaatlicher Gewalt ist nach Artikel 2 Absatz 4 der UN-Charta verboten. Die rot-grüne Bundesregierung verstieß mit der Bereitstellung deutscher Truppen für diesen Krieg nicht nur dagegen, sondern ebenso gegen das Grundgesetz sowie gegen den 4+2-Vertrag zur Herbeiführung der deutschen Einheit.
[...]
Am 23. September 1998 verlangte der UN-Sicherheitsrat mit seiner Resolution 1199 einen umgehenden Waffenstillstand im Kosovo, den sofortigen Rückzug von jugoslawischen und serbischen Einheiten, die zur Unterdrückung der Zivilbevölkerung eingesetzt wurden, freien Zugang für humanitäre Organisationen sowie die uneingeschränkte Zusammenarbeit der Regierung Slobodan Milosevic mit dem UN-Jugoslawien-Tribunal in Den Haag. Russland stimmte dieser Resolution zu und war durchaus bereit, im Sicherheitsrat weitere Zwangsmaßnahmen gegen Belgrad zu beschließen, sollte die Regierung Milosevic die Forderungen der Resolution 1199 nicht erfüllen - notfalls bis hin zu militärischen Maßnahmen mit UN-Streitkräften. Allerdings lehnte Russland die Forderung der drei ständigen Westmächte im Sicherheitsrat (USA, Großbritannien und Frankreich) ab, bereits in dieser Resolution eine Klausel aufzunehmen, die ohne eine weitere Beratung und Beschlussfassung des Rates zum militärischen Vorgehen ermächtigt hätte.
Neben dieser automatischen Ermächtigungsklausel wies Russland auch das Ansinnen der drei Westmächte zurück, dass ein etwaiges militärisches Vorgehen gegen Jugoslawien operativ nicht von der UNO, sondern der Nato durchgeführt und kommandiert werden sollte. Fazit: Ein "gemeinsames Vorgehen der UNO" haben die drei ständigen Westmächte im Sicherheitsrat niemals ernsthaft mit Russland erörtert.
[...]
Gerechtfertigt wurde der Luftkrieg von der Nato schließlich damit, dass Jugoslawien bei Verhandlungen mit den Kosovo-Albanern im französischen Rambouillet einen von den USA als Ultimatum präsentierten "Friedensplan" ablehnte. Wie die taz damals aufdeckte, enthielt dieser Plan einen geheimen Zusatz, der die Stationierung von Nato-Streitkräften in ganz Serbien vorsah.

Hierzu - stellvertrendend für eine ganze Reihe ähnlich lautender Einschätzungen - ein Zitat von Henry Kissinger, dem langjährigen US-Aussenminister:

Der Rambouillet-Text, der Serbien dazu aufrief, den Durchmarsch von NATO-Truppen durch Jugoslawien zu genehmigen, war eine Provokation, eine Entschuldigung dafür, mit den Bombardierungen beginnen zu können. Kein Serbe mit Verstand hätte Rambouillet akzeptieren können. Es war ein ungeheuerliches diplomatisches Dokument, das niemals in dieser Form hätte präsentiert werden dürfen. […] Die Serben haben sich vielleicht in der Bekämpfung des KLA- (UÇK-)Terrors barbarisch verhalten. Jedoch wurden 80 % der Brüche des Waffenstillstandes, zwischen Oktober und Februar, von der KLA begangen. Es war kein Krieg der ethnischen Säuberung zu dieser Zeit. Wenn wir die Lage korrekt analysiert hätten, hätten wir versucht den Waffenstillstand zu unterstützen und nicht die ganze Schuld auf die Serben geschoben.“ (Quelle: Wikipedia)

Abschliessend sei noch bemerkt, dass es bei diesem Angriffskrieg natürlich auch Kriegsverbrechen verübt wurden, u. a. die gezielte Zerstörung ziviler Infrastruktur.

Wikipedia schreibt:

Da Milošević aber früh zu verstehen gab, dass er sich der Gewalt der Luftstreitmacht nicht ohne weiteres beugen würde und seine Armee vorzeitig in Deckung beordert wurde, entschied die NATO relativ bald, eine Eskalation herbeizuführen und auch Ziele der zivilen Infrastruktur anzugreifen.

Wer sich näher dafür interessiert kann das vor allem auch hier nachlesen:
https://web.archive.org/web/20120415091347/http://www.au.af.mil/au/awc/awcgate/congress/99-10-26jumper.htm

Ansonsten verweise ich auf folgende Quellen:
https://taz.de/Zehn-Jahre-Kosovokrieg/!5165840/
https://monde-diplomatique.de/artikel/!5584546
https://de.m.wikipedia.org/wiki/Hufeisenplan
https://de.wikipedia.org/wiki/Vertrag_von_Rambouillet

Nett, aber es widerlegt nicht die Fakten der beiden als Völkermord eingestuften Massaker von Srebrenica und Račak - die sowohl Anlass für das Eingreifen der NATO als auch das UN-Mandat waren.

Der TAZ-Artikel spiegelt eine Meinung wieder. Andere hatten andere Meinungen und die UNO war offensichtlich auch der Meinung, dass eingegriffen werden muss. Ob diese Massaker geplant waren oder nicht, spielt keine Rolle.

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