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  • auf_der_hut

mehr als 1000 Beiträge seit 07.05.2008

Re: Das Problem der Ukraine-Resolution ist

"Diese Charta beeinträchtigt im Falle eines bewaffneten Angriffs gegen ein Mitglied der Vereinten Nationen keineswegs das naturgegebene Recht zur individuellen oder kollektiven Selbstverteidigung, bis der Sicherheitsrat die zur Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit erforderlichen Maßnahmen getroffen hat." (UN-Charta, Art. 51)

Ihre Auffassung ist einfach falsch.

Die Charta schränkt das "natürliche" Recht zur Selbstverteidigung (oder auch die Unterstützung durch Dritte) ausdrücklich nicht ein noch macht sie die Rechtmäßigkeit von irgendwelchen Bedingungen abhängig. Da der Sicherheitsrat blockiert ist und von ihm keine Maßnahmen zur Wiederherstellung des Friedens zu erwarten sind, steht es der Ukraine und ihren Unterstützern (im Rahmen des humanitären Völkerrechts, versteht sich) frei, mit welchen Mitteln sie sich verteidigt, militärisch (bis hin zu Gegenangriffen und Präventivschlägen), wirtschaftlich (Sanktionen), passiver Widerstand, diplomatisch usw.. Da Russland von der Generalversammlung mit überwältigender Mehrheit als Aggressor benannt wurde, steht außer Zweifel, dass die Ukraine sich auf ihr Recht zur Selbstverteidigung berufen darf.

Im Falle eines bewaffneten Angriffs erlischt die Friedenspflicht. Die anderen beiden Ausnahmen sind Militäreinsätze unter UN-Mandat oder ad-hoc Einsätze gegen Völkermord im Rahmen der "Responsibility to Protect" (R2P).

Es wäre ja auch ein Stück aus dem Tollhaus, wenn der Aggressor den Angegriffenen auf seine angebliche Friedenspflicht hinweist, nachdem er auf dem Schlachtfeld eine günstige Verhandlungsposition erreicht hat. Genau das erleben wir aber gerade von Leuten wie Schulenburg. Vielmehr sind Gebietsabtretungen bzw. Annexionen unter solchen Zwangs- und Erpressungsbedingungen völkerrechtlich von vornherein nichtig (Simpson-Doktrin). Auch ihre Anerkennung durch Dritte ist rechtswidrig.

Ein Frieden, der die Anerkennung von Unrecht zum Inhalt hat, ist die Vorbereitung auf den nächsten Krieg. Da wird Diplomatie zur Forstsetzung der Aggression mit anderen Mitteln.

Von der Frage der Rechtmäßigkeit unabhängig ist die Frage, ab welchem Punkt Unterstützung zur Selbstverteidigung zur direkten Kriegsbeteiligung wird. Dann wären Angriffe des Aggressors gegen militärische Ziele auf Seiten der Unterstützer durch das humanitäre Völkerrecht (also der Genfer Konvention) gerechtfertigt - die Aggression insgesamt bliebe aber im Sinne des zwischenstaatlichen Völkerrechts rechtswidrig.

https://swp-berlin.org/10.18449/2023A09/

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