Auf den Hund gekommen
Das Schweigen der Medien über George Herbert Walker Bush verstört
Die unkritischen Berichte über den verstorbenen 41. Präsidenten der USA in den letzten Tagen bieten Aufschluss über die Qualität des politischen Journalismus der Gegenwart. Die Medienvertreter, die unisono von einem "großen Staatsmann" sprachen, konzentrierten sich auf drei Themen:
1. Labrador-Hündin "Sally"
Von SPIEGEL-BILD bis zu den öffentlich-rechtlichen Sendern kamen alle Medien auf den Hund. Medienkritiker erinnern sich an die infame Rede des einstigen Vizepräsidenten Richard Nixon über dessen Hund "Checkers", mit der Tricky Dick 1952 die Fernsehnation erfolgreich von einer Verfehlung ablenkte. Auch George W. Bush konnte auf einem Tiefpunkt seiner Präsidentschaft die Medien mit seinem First Dog "Barney" an der Leine führen. Nachrichtenwert: Null.
2. Trump vs. Establishment
Für Boulevard-Journalisten ist der Kontrast zum proletenhaften Horrorclown ausreichend, um Bush für einen zivilisierten Menschenfreund zu halten.
3. Bush hat den Kalten Krieg beendet und zu den Deutschen gehalten.
Das war‘s. Von BILD bis taz – ja nicht einmal in marxistischen Zeitungen (!) - erinnerte sich auch nur ein deutscher Journalist wenigstens an die unstreitigen Verbrechen des 41. Präsidenten der USA.
Kalte Kriege
Tatsächlich hatte sich Bush den Deutschen gegenüber loyaler als andere Politiker verhalten - aber das liegt nun einmal in der Familie. Vater Prescott Bush und dessen milliardenschwere Freunde Harriman und die Rockefellers hatten mit Deutschland gute Geschäfte gemacht, und zwar schon vor dem Zweiten Weltkrieg (Väter und Söhne). Man verdiente sowohl an der Aufrüstung der USA als auch an der von Nazi-Deutschland, was man sogar noch nach Kriegseintritt der USA fortsetzte.
Es waren die mit dem Bush-Clan befreundeten Dulles-Brüder gewesen, welche die Welt ohne Not in den Kalten Krieg manövrierten und etliche Offerten des Ostens in den Wind schlugen. Warum auch nicht? Der Kalte Krieg war ein krisensicheres Geschäft für die Rüstungsindustrie und induzierte in den Westen Kontrolle und Abhängigkeit.
Heiße Kriege
Gerne hätten hunderttausende Iraker dem großen Krieger ebenfalls ihre letzte Ehre erwiesen, sind jedoch seit den 1990ern selbst tot. Sie starben im absurd massiven Bombenhagel auf Städte, sie starben wegen gezielter Zerstörung von Infrastrukturen und sie verreckten an den Folgen des Boykotts von Lebensmitteln und Medizin. Bei der Bodeninvasion testete General Schwartzkopf gegen die lächerlich bewaffneten Soldaten in ihren scheinbar unüberwindlichen Schützengräben eine neue Waffe: Mit Bulldozern bewegte man den Sand, schüttete damit die Wehrpflichtigen zu und ließ sie ersticken.
Nicht ein Iraker hatte jemals die USA bedroht. Doch acht Erwähnungen der Brutkastenlüge durch den Präsidenten sowie "Geheimdienstinformationen" über eine angeblich riesige Streitmacht an der Grenze zu Saudi-Arabien überzeugten die Fernsehnation von der guten Sache. Die bittere Ironie jedoch ist, dass den so schrecklichen Saddam Hussein niemand anderes an die Macht gebracht und bewaffnet hatte, als die CIA, die George Bush 1976 sogar als Direktor persönlich leitete.
CIA-Kriege
Ebenfalls bei den Trauerfeierlichkeiten fehlten über 50.000 Menschen, die in Süd- und Mittelamerika der CIA-Operation Condor zum Opfer fielen. In der von den USA betriebenen School of the Americas in der Panamakanalregion lehrte man befreundete Geheimdienstler das Bluthandwerk, um rechtsgerichtete Diktaturen zu stützen oder herbei zu putschen. Prominenter Fall war Manuel Noriega, der für die CIA mit Drogenkartellen kooperierte und wie Saddam Hussein dann plötzlich zum Superschurken ausgerufen wurde, als er seine Schuldigkeit getan hatte. Jene CIA, die Bush leitete, hatte keine Lizenz zum Töten handverlesener Gegner - sondern zum Massenmord.
Man darf Bush nicht zu hart verurteilen: Zum einen war er Sohn seines Vaters, der Anfang der 1930er sogar mit einem faschistischen Staatsstreich im eigenen Land sympathisiert haben soll, zum anderen hatte Bush als Öl-Mann einen schlechten Umgang. Im Dallas Petroleum Club traf der Gründer von Zapata Oil auf die damals reichsten Männer der Welt, Clint Murchison, Sid Richardson und Nelson Hunt. Die Öl-Tycoons hatten nicht nur Eisenhower ins Weiße Haus bugsiert, sondern finanzierten ohne große Scham den Ku Klux Klan und die amerikanische Nazi-Partei.
Anfang der 1960er Jahre stellte Bush seine Ölfirma und Bohrinseln der CIA zur Verfügung, um die Geheiminvasion auf Kuba vorzubereiten. Die Verbindungen waren eng, denn CIA-Direktor Allen Dulles fungierte gleichzeitig wie seit Jahrzehnten als Anwalt von Vater Prescott Bush - der wiederum die parlamentarische Aufsicht über die Geheimdienste führte. 1968 hatte Bush für ein paar Wochen in Vietnam zu tun, in Begleitung von CIA-Leuten. Damals pflegten CIA-Kommandos im Rahmen der Operation Phoenix in Vietnam zwischen 25.000-50.000 Menschen zu massakrieren, weil diese etwa lesen und schreiben konnten, mithin anfällig für "Kommunismus" waren.
CIA-Partner wie Orlando Bosch und Luis Posada Carriles, die dringend verdächtig sind, 1976 eine kubanische Passagiermaschine gesprengt zu haben, wurden von Präsident Bush geschützt, wie etliche andere Patrioten dieses Schlags. Während Bush den Vizepräsident gab, schoß die Navy 1988 angeblich versehentlich eine Linienmaschine der Iran Air ab. Dies hinderte Bush nicht daran, den verantwortlichen Kapitän mit dem Legion of Merit auszuzeichnen. Vor seinem Abgang als US-Präsident begnadigte Bush mal eben die Hauptfiguren des Iran-Contra-Skandals – sein halbes Kabinett.
Glaubenskriege
Vor seinem Angriff auf den Irak hatte Präsident George H. W. Bush einst eine Kirche besucht und wollte den Befehl zum Angriff von Gott persönlich erhalten haben. Noch religiöser agierte Sohnemann George "W." Bush, der den Irakkrieg dann aus Nächstenliebe weiterführte. Auch am Irakkrieg von "W" verdiente Bush senior über die Carlyle Group. Das Geschäft bezahlten 500.000 weitere Iraker mit ihrem Leben.
Schon First Lady/Präsidentenmutter Barbara Bush wusste die Dinge präsidentiell einzuordnen und bezeichnete lässig im Irak "gefallene" US-Soldaten als irrelevant. Die Berichterstattung etwa der deutschen Medien, die lieber von Hunden als von Staatsverbrechen künden, gibt ihr auf ganzer Linie recht.
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Von Markus Kompa ist als Telepolis-eBook erschienen: Cold War Leaks. Geheimnisvolles und Geheimdienstliches aus dem Kalten Krieg.