Dannenröder Wald: Gefährlicher Polizeieinsatz
Anwohner empört über Polizei und Autobahnbau. Ende Gelände blockierte Zugänge zum Wald
Im hessischen Dannenröder Wald geht die Räumung und Rodung weiter. Seit Anfang Oktober werden dort in massiver Polizeibegleitung Bäume gefällt, um den Weg für eine neue Autobahn zwischen Kassel und Gießen frei zu machen. Unter dem Protest von Anwohnern und Umweltaktivisten, die Teile des Waldes seit über einem Jahr besetzt halten.
Am Sonntagmorgen blockierten nach eigenen Angaben zunächst 250, später 400 Aktive des Netzwerks Ende Gelände die Zufahrtswege um die Räumung von Baumhäusern zu verhindern. Rodung und Autobahnbau müssten sofort aufhören.
"Während die Grünen auf ihrem Parteitag 1,5° ankündigen, sehen wir im Danni die Realität schwarz-grüner Klimazerstörung: Mitten in der Klimakrise vernichten sie einen Wald für eine neue Autobahn. Wir stellen uns diesem Wahnsinn entgegen: Mit hunderten Aktivist*innen blockieren wir heute die Rodung und kämpfen für Klimagerechtigkeit!"
Ronja Weil, Pressesprecherin Ende Gelände
Nach einem Bericht der Internet-Plattform Osthessen News wurde die Räumung auf Drängen der evangelischen Kirche immerhin am heutigen Totensonntag ausgesetzt. Am Freitag war eine Beobachterin nach Aussagen von Aktivisten auf Twitter "niedergeknüppelt" worden. Die Polizei bestätigt, dass es einen Vorfall gegeben habe, zu dem man aber nichts Genaueres wisse.
Die Rolle der Grünen
Hessen wird von einer schwarz-grünen Koalition regiert. Zuständiger Wirtschafts- und Verkehrsminister ist Tarek Al-Wazir von den Grünen, der die Verantwortung für den Autobahnbau allerdings alleine beim Bund sieht.
Darüber gibt es allerdings unterschiedlich Einschätzungen. Verantwortung trägt die Landesregierung auf jeden Fall für den Polizeieinsatz, der bereits mehrere Schwerverletzte gefordert hat.
Zuletzt war am gestrigen Samstagmorgen "eine Person aus circa vier bis sechs Meter Höhe von einer Plattform" gestürzt, wie es bei der Polizei Mittelhessen auf Twitter heißt. Ursache sei das Reißen eines Seils "durch das Handeln der Polizei" wie Aktivisten anklagen. Ein undatiertes, offensichtlich aus dem Dannenröder Wald stammendes Kurz-Video zeigt, mit welcher enormen Rücksichtslosigkeit Polizeibeamte Menschen aus den Bäumen reißen.
Nach Darstellung der Aktivisten hatten sich gleich"„mehrere Polizisten (…) nacheinander auf ein markiertes Sicherungsseil in Bodennähe" gestellt, woraufhin dieses gerissen sei. Hierzu auch ein kurzes Video-Statement, in dem der Vorfall in ruhigem Tonfall aus Sicht der Autobahngegner geschildert wird.
Wir hatten kürzlich bereits von einem weiteren Vorfall berichtet, bei dem am vergangenen Sonntag eine Baumbesetzerin aus mehreren Metern Höhe in die Tiefe stürzte, nach dem ein Sicherungsseil gekappt worden war.
Nach dem die Polizei zunächst den Eindruck erweckte, es seien keine Beamten in der Nähe gewesen, gibt es nun offenbar Ermittlungen gegen einen Polizeibeamten, der das Seil durchtrennt haben soll. Das geht aus einem Bericht des Springer-Blattes Die Welt hervor.
Gefährliche Elektroschocker
Ein weiteres Beispiel dafür, wie wenig die Polizeibeamten darauf achten, lebensgefährliche Situationen für die Demonstranten zu vermeiden ist der Einsatz eines Tasers in 20 Metern über dem Waldboden. Hier die Darstellung der Polizei Mittelhessen auf Twitter.
"Als Notfallmediziner halte ich den Einsatz von Tasern/Elektroschockgeräten für ein unkalkulierbares gefährliches Risiko. Die Polizei setzt diese Geräte offensichtlich zur Räumung in großer Höhe im Dannenröder Wald ein. Das muss sofort aufhören."
Michael Wilk, Twitter-User
Wie gefährlich sind Taser? Eine Recherche der Deutschen Welle legen zumindest nahe, dass es sich um regelrechte Folterinstrumente handelt. Polizeibeamte, die sich im Selbsttest haben beschießen lassen, sprechen von extremen Schmerzen.
Das Beschriebene legt nahe, dass die im Dannenröder Wald betroffene Person für mehrere Sekunden die Kontrolle über ihren Körper verloren haben muss und ohne Weiteres hätte dadurch abstürzen können.
Auf jeden Fall aber wird sie durch die in dem oben verlinkten Beitrag beschriebenen Schmerzen traumatisiert worden sein. Die DW schreibt davon abgesehen von mehreren Todesfällen, die es bereits nach einem Taser-Beschuss gegeben habe, bei denen aber noch über die ursächlichen Zusammenhänge ermittelt wird.
Im Wald sind derweil nicht nur jugendliche Klimaschützer aus dem Umfeld der Fridyas-For-Future-Bewegung oder Ende Gelände unterwegs. Manche haben auch die Eltern und Großeltern mitgebracht.
Und ein Teil der Anwohner wehrt sich schon seit rund 40 Jahren gegen den Autobahnbau.
Wie sehr diese unter Polizeieinsatz und Rodung leiden, beschreibt eine Reportage des Hessischen Rundfunks aus dem Dorf Dannenrod, über das auch am Sonntag Hubschrauber donnerten.
"Die Bevölkerung hat Angst vor der Polizei", meint einer der Interviewten. "Die Mehrheit ist gegen die Autobahn", meint ein anderer Anwohner. Es sei schon sehr bedrückend, wenn man sehe, was für eine Schneise durch den Wald geschlagen werde. Weit über 1000 Polizisten halten sich seit Wochen täglich in dem 170-Einwohner-Dorf auf.
Solidaritätsaktionen für die Proteste in Hessen gab es in den letzten Tagen unter anderem in Köln, Wiesbaden und in Berlin, wo am Samstag bis zu 1000 Menschen an einer spontanen Fahrraddemo teilnahmen. Derweil entstehen nun auch in Hessen überall lokale Klimalisten und könnten schon bald den Grünen bei Wahlen Konkurrenz machen.