Datteln 4: Protest gegen umstrittenes Kraftwerk

Aktivisten sind Datteln 4 auf das Dach gestiegen. Bild:d4-vom-netz

Klima-Aktivisten wollen den Start eines neuen Kohlekraftwerks nicht hinnehmen. Klagen gegen Betrieb und Genehmigung

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Im nordrhein-westfälischen Datteln, am nördlichen Rand des Ruhrgebiets an der Lippe gelegen, wird in diesen Stunden das dortige betriebsfertige neue Kohlekraftwerk Datteln 4 blockiert. Nach einer per Email versendeten Pressemitteilung der Gruppe "Datteln vom Netz" (Twitter: @d4-vom-Netz) haben sich dort seit den frühen Morgenstunden an verschiedenen Punkten des Kraftwerks Aktivistinnen und Aktivisten an Förderbänder und ähnliches gekettet, um den Betrieb der Anlage zu behindern.

Sie begründen ihre Aktion "mit der fortschreitenden Klimakrise und einer schädlichen Politik der Bundesregierung". "Die Inbetriebnahme eines neuen Kohlekraftwerks ist ein Skandal“, so eine Sprecherin. "Wir müssen handeln, da Konzerne wie Uniper ungehindert das Klima zerstören, während Regierungen den Bau neuer Kohlekraftwerke billigen."

Die sogenannte Kohlekommission – deren Ergebnis von der Bundesregierung zunächst als gesellschaftlicher Kompromiss verkauft wurde – hatte vor einem Jahr empfohlen, das Kraftwerk nicht mehr in Betrieb zu nehmen.

Davon will in Berlin und Düsseldorf inzwischen niemand mehr etwas wissen, weshalb die Anlage in diesem Jahr zu einem neuen Brennpunkt der Auseinandersetzung um mehr Klimaschutz avancieren dürfte.


Derweil wurden in Datteln inzwischen die Ketten eines Teils der Beteiligten von der Polizei getrennt und die Personen festgenommen.

Auf Twitter verweisen die Besetzerinnen und Besetzer zusätzlich darauf, dass die künftig in dem neuen Kraftwerk zu verbrennende Kohle vor allem aus Kolumbien und Russland kommen wird. Der dortige Abbau sei mit verheerenden Folgen für die Umwelt und die Anwohner verbunden, weshalb im Falle von Kolumbien auch manche von Blutkohle sprichen.

Das Kraftwerk befindet sich derzeit noch im Probebetrieb und soll in den nächsten Monaten ans Netz gehen. Es wurde übrigens 600 bis 700 Meter vom Ortsrand errichtet, wie unter anderem auf Google-Maps zu sehen ist. Zum Vergleich: Die Bundesregierung hat auf Druck der mit den Energiekonzernen verbundenen Kräfte in den Regierungsparteien durchgesetzt, dass neue Windkraftanlagen einen Abstand von mindestens 1000 Metern zur nächsten Besiedlung haben müssen.

Datteln 4 war zudem gar nicht am genehmigten Ort gebaut worden. Die Bau- und Betriebsgenehmigung war für ein anderes Gelände erteilt worden. Das Oberverwaltungsgericht hob daher 2009 die Baugenehmigung auf und ließ keine Revision zu. Ab 2012 machte dann eine Koalitionsregierung aus Sozialdemokraten und Grünen den Weg für den Weiterbau frei. 2017, zehn Jahre nach dem Baubeginn, gab es schließlich die nachträgliche Bau- und Betriebsgenehmigung von der Bezirksregierung in Münster.

Der Betreiber Uniper (ehemals E.on) spricht davon, dass Datteln 4 eines der modernsten Kraftwerke Europas sei und einen Nettowirkungsgrad von über 45 Prozent habe. Bei Nutzung eines Teils der Abwärme komme man auf einen Gesamtwirkungsgrad von "bis zu 60 Prozent".

Oder mit anderen Worten: Mindestens 40 Prozent der in der Kohle gebundenen chemischen Energie wird ungenutzt im übertragenen Sinne durch den Schornstein geschickt. Für die Verwendung eines nennenswerten Teils der Abwärme im örtlichen Fernwärmenetz ist die Anlage nämlich viel zu groß. Dafür wird es dann bei gerade noch rentabler Auslastung (6000 Volllaststunden im Jahr) jährlich rund vier Millionen Tonnen CO2 in die Luft blasen.

Außerdem ist fraglich, ob der genannte Wirkungsgrad überhaupt erreicht werden kann. Nachdem die Schweißnähte des Kessel sich als zu schwach erwiesen, wurden dessen Wände ersetzt. Statt des Spezialstahls wird nun konventioneller Stahl verwendet, heißt es bei den örtlichen Grünen.

Durch den anderen Stahl würde der Wirkungsgrad gemindert und damit der Schadstoffausstoß erhöht. Damit drohten mehr Schadstoffe in umliegende Naturschutzgebiete abgegeben zu werden, als von der Betriebsgenehmigung zugestanden. Mehrere Klagen seien aus diesem und anderen Gründen noch anhängig.