Deutsche Imker ohne Schutz vor Gentechnik
Bayerisches Verwaltungsgericht weist Imker ab, obgleich der Europäische Gerichtshof entschieden hatte, dass kein Honig verkauft werden dürfe, der Pollen nicht zugelassener gentechnisch veränderter Pflanzen enthält
Der Bienenflug des Bienenvolkes des Hobbyimkers Karl-Heinz Bablok aus Kaisheim im Landkreis Donau-Ries hat begonnen. Dieses will er künftig vor Testfeldern für den Versuchsanbau des gentechnisch modifizierten Genmaises MON 810 schützen. Der Europäische Gerichtshof EuGH entschied im September 2011 im Nulltoleranzurteil, dass kein Honig verkauft werden dürfe, der Pollen nicht zugelassener gentechnisch veränderter Pflanzen enthält. Das Urteil stärkte damit die Klagerechte der Imker. Doch das Bayerische Verwaltungsgericht lehnte nun in seinem jüngsten Urteil die Berufung der Imker ab und verweigerte damit einen grundsätzlichen Schutzanspruch vor dem Anbau des Genmaises MON 810. Doch allein in diesem Jahr wurde für mehr als 20 deutsche Standorte der Anbau des verbotenen Genmaises MON 810 beantragt.
"Das Urteil ist ein Affront gegen die Imkerschaft", erklärt Thomas Radetzki, Vorstand des Bündnisses zum Schutz der Bienen vor Agrogentechnik. Hobbyimker Karl-Heinz Bablok aus Kaisheim, der seit acht Jahren vor sämtlichen gerichtlichen Instanzen für einen sauberen Honig klagt, ist empört. Kürzlich hatten sich die Anwälte der Firma Monsanto und des Bündnisses des Schutzes vor Agrotechnik der Bienen zur fünfstündigen Verhandlung im Bayerischen Verwaltungsgericht getroffen. Nach dem Hin-und Her von Argumenten, hatten es die Vertreter des Landes Bayern aber abgelehnt, den Anbau von Mais MON 810 rechtsverbindlich auszuschließen. "Dazu haben wir kein Mandat", sagte der Landesanwalt.
Laut dem Urteil, das dem Bündnis zum Schutz der Bienen am 16. März schriftlich zuging, wurde dann die Berufung des Hobbyimkers Bablok und der vier weiteren Imker abgelehnt. Die Imker haben demnach keinen grundsätzlichen Schutzanspruch vor Eintrag verseuchter Pollen. "Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof weigert sich, die Grundsatzentscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom vergangenen Herbst in konkrete Rechtssicherheit der Imker vor Ort zu verwandeln", so die Auslegung des Urteils von Thomas Radetzki. Das Risiko steht damit auf Länderebene weiterhin auf der Seite der Imker. Denn allein 2012 wurden für mehr als 20 Standorte in Deutschland der Anbau des verbotenen Genmaises MON 810 beantragt. "Offensichtlich ist die Gentechnikindustrie zuversichtlich, dass das Verbot aufgehoben wird", so die Vermutung Radetzkis.
Um nun Rechtssicherheit zu erhalten, will Radetzki, der die Klagekosten trägt, nun mit den Imkern vor das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig ziehen. Jenes hatte erst vor wenigen Wochen mit einem Urteil zu gentechnisch verändertem Raps bestätigt, dass die Risiken der Gentechnik umfassend kontrolliert werden müssten. Auch das Bundesverfassungsgericht betonte im Jahr 2010 die Verantwortung künftiger Generationen, die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen. Der Gesetzgeber trage angesichts des mangelhaften Erkenntnisstandes der Wissenschaft in der Beurteilung der Langzeitfolgen beim Einsatz von Gentechnik eine besondere Sorgfaltspflicht.
Bienen schätzen eiweißhaltigen Mais
Obgleich Bienen blütenstetig sind, sie also immer die gleichen Blüten bevorzugen, fliegen sie im Umkreis von 3 bis 10 Kilometern jede Art blühende Pflanze an, vom Löwenzahn, über den Obstbaum bis zu den Anbaupflanzen der Felder. In einer blütenarmen Gegend blühen häufig nur noch Raps und Mais, wobei der Mais von den Bienen wegen seines hohen Eiweißanteils sehr geschätzt wird, erklärt Steffi Ober, Referentin für Agrogentechnik vom NABU Deutschland. Die Biene kann dabei natürlich nicht unterschieden, ob es sich um gentechnisch veränderten Mais handelt oder nicht.
Zudem kann jeder Bauer gentechnisch modifizierten Mais anbauen, wenn er für Europa zugelassen ist, es keinen Bann für Deutschland gibt und er seine Flächen drei Monate zuvor im Internet, im Standortregister des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, angemeldet hat, führt NABU-Referentin Ober weiter aus.
Uneinigkeit in der EU und starker Druck der NGOs in Deutschland
Derzeit stehen mehr als 20 GVO-Pfla (gentechnisch veränderte Organismen) auf der Liste der möglichen Zulassungen in Europa. Dabei liegt die Frage der Zulassung in den Händen der Europäischen Kommission. Das Europaparlament bleibt hierbei außen vor und hat auch kein Veto-Recht, bedauert Martin Häusling, europapolitischer Sprecher der Grünen/EFA Fraktion im EU-Parlament in Brüssel. Die Europäische Kommission hat bisher allerdings keine Entscheidung in der Frage getroffen, da derzeit über ein neues Verfahren diskutiert wird. Danach hätten die Mitgliedsstaaten bald das Recht, selbst zu entscheiden, ob sie GVO-Pflanzen anbauen oder nicht, wogegen sich besonders Frankreich und Deutschland sträuben.
Neben Griechenland, das sich vorbildlich zum Schutz der Bienen verhält, ist bisher einzig Österreich bereit, die Risiken gesetzlich einzudämmen. Mit dem österreichischen Gesetz, das Imker vor GVO-Pollen schützen soll, dürfen im Flugradius von zehn Kilometern keine gentechnisch veränderte Pflanze angebaut werden. Denn dies würde zum Eintrag von Gentechnik in den Honig führen. So wurde in Österreich um jeden Bienenstock eine gentechnikfreie Zone per Gesetz errichtet, welche die Kommission auch stillschweigend duldet.
Vor allem der deutsche Verbraucher spricht sich gegen Gentechnik auf seinem Teller aus. So haben NGOs freiwillige Vereinbarungen auf regionaler Ebene getroffen, um gentechnikfreie Zonen in Deutschland zu schaffen. Insgesamt ist die Fläche bereits 1 Million Hektar groß. "Wir haben viele Regionen in Deutschland, die sich freiwillig verpflichtet haben, keine Gentechnik anzubauen. In Bayern gibt es vieler solcher gentechnikfreien Landkreise. In Nordrhein-Westfalen ist das ganze Bundesland dem Bündnis gentechnikfreier Regionen beigetreten. Das sind meist lokale Initiativen, die ihre Region als gentechnikfrei kennzeichnen", erklärt Martin Häusling in Brüssel. Die Bewegung besteht überwiegend aus NGOs, die sich jedoch europaweit auszudehnen beginnen.