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Die sogenannte Urkatastrophe 1914

Selektives Gedächtnis

Einhundert Jahre seit dem Beginn des Ersten Weltkrieges - die kulturindustrielle Verwertung eines solchen Ereignisses lässt sich nicht aufschieben bis zum August, auch im Erinnerungsgewerbe herrscht harte Konkurrenz, und so sind wir schon umstellt von einschlägigen Angeboten zum Rückblick auf eine "Urkatastrophe".

Der Begriff ist äußerst beliebt, um "1914" gedanklich unterzubringen - und drängt ein Missverständnis auf; keineswegs waren es Naturgewalten, die damals in völlig neuen Dimensionen Zerstörung und Tod auslösten. Es handelte sich um Menschenwerk, unter Nutzung hochentwickelter Technik.

Also muss das Interesse den großen und kleinen Akteuren gelten, und die Medien stellen dafür Material zur Verfügung (darunter auch historisch seriöses), vor allem über das Verhalten von Staatsmännern, Diplomaten, Heerführern, über die Impressionen von Literaten und Künstlern, ein wenig auch über die Gefühlswelt des gemeinen Volkes.

Bei dem Versuch, den Trend derzeit dominierender Beschreibungen und Deutungen von "1914" zu erfassen, stößt man auf ein Problem: Ganz überwiegend erscheint der Erste Weltkrieg als Inferno, in das die beteiligten Staaten "hineingeschlittert" oder in das sie "schlafwandelnd" geraten sind; dessen Brutalität niemand voraussah; bei dem Täter und Opfer nicht mehr zu unterscheiden sind. Und wo eine besondere Verantwortung des Deutschen Reiches nicht gegeben war.

Angesichts dessen empfiehlt es sich, an diese Erinnerungskultur einige Fragen zu stellen:

Wenn Erinnern an Geschichte selektiv geschieht, hat das Gründe. Zumeist aktuelle.

Es ist ja nicht so, als seien heutzutage militärische Instrumente zur Durchsetzung wirtschaftlicher Interessen out of area nicht mehr im Kalkül der Politik, und die Rüstungsindustrie braucht immer noch Gelegenheiten, ihre Produkte in der Anwendung vorzuführen. Da kann ein Rückblick in die Geschichte seine peinlichen Seiten haben.


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