Echte Republikaner!
Pendlerzug nach Midtown, Montag 7.30 am
Schwer zu beurteilen, wie "Middle America" die gestrigen Demos und die "convention" sieht. Um halb acht Uhr morgens verzieht man sich in Bus, Zug oder U-Bahn am Liebsten hinter eine Zeitung oder hält als Sitzplatzinhaber ein Nickerchen. Gespräche zwischen den Pendlern drehen sich heute wohl hauptsächlich um Logistisches. Von New Jersey aus nach Manhattan zu fahren, dauert seit heute fast doppelt so lang wie sonst. Denn die Pendlerzüge zum Midtown-Bahnhof "Penn Station", wo ich normalerweise aussteige, fahren seit heute nicht mehr direkt in die Stadt, sondern werden nach Süden hin umgeleitet. Von dort aus muss umgestiegen werden, um den Hudson-Fluss entweder in einen anderem Zug oder mit einer der Fähren überqueren zu können. Ich nahm den Zug und musste wie viele andere eine Stunde lang stehen.
Madison Square Garden, 9.45 am
Echte Republikaner, und das scharenweise! Von der 39sten Strasse aus die 7th Avenue Richtung Süden liegt ein paar Häuserblocks der MSG. An jeder Strassenecke stehen mindestens 10 Cops, und auf einmal finde ich mich umgeben von konservativ gekleideten Menschen mit Namenschildern vor der Brust baumelnd, auf denen irgendein Code und "limited access" steht. Die Strassenkreuzung 7th Avenue und 34ste Strasse, wo es um diese Uhrzeit sonst wimmelt von Menschen, die zur Arbeit hasten, hat sich über Nacht in eine Hochsicherheitszone verwandelt und ist eindeutig dominiert vom Sicherheitsapparat - und Republikanern. Sie steigen gruppenweise aus Bussen aus - Vielen steht die Unsicherheit ins Gesicht geschrieben. Ich muss grinsen: ganz im Gegensatz zur Selbstdarstellung der Partei sehe ich keine "ethnically diverse" Delegierten, sondern finde bestätigt, was ich bislang eher für übertrieben gehalten hatte. Die grosse Mehrzahl ist weiss, männlich, mittleren Alters und trägt den amerikanisch-konservativen Einheitscheitel sowie Anzüge und Krawatten. Ein paar Delegierte haben sich zusätzlich in Cowboyhüte und -stiefel gekleidet. Einen afroamerikanischen Cop, dem darüber fast die Kinnlade heruntergefallen ist, frage ich, was er davon hält. Er verzieht den Mund zu einem leichten ironischen Lächeln und sagt: "Let´s not talk about that". Ein Abstecher hinunter in die "Penn Station": hier dominiert heute der Stil "Polizeiuniform". Alle fünf Meter hält sich ein Beamter auf, und ich habe das Vergnügen, "officers" von vermutlich mehr als einem Dutzend "agencies" bei der Arbeit zusehen zu dürfen. Hier stolzieren zwei FBI-Giganten mit schussicheren Westen entlang, dort steht einer mit Sonnenbrille, Knopf im Ohr und ausgebeultem Anzug, ein schmächtiger Bursche von der Zollbehörde kratzt sich am Hintern, und als ich an der Ecke einen der beiden "Antiterror"-Brocken mit Stahlhelm und Maschinenpistolen im Anschlag frage: "May I take a picture ?", sagt er "I prefer not to". "Okay", sage ich und wende mich ab. "Thank you, Sir", höre ich ihn mir nachrufen. Das Sicherheitstheater ist wirklich ernst gemeint. Als ich den Zubringerkorridor für normale Menschen an der 32sten Strasse zurückschlendere, muss ich mich zwischen Betonabsperrungen bewegen. Sie wurden extra herangeschafft, um zu verhindern, dass sprengstoffbeladene Autos oder LKWs zur "Convention" hin durchbrechen.