GPS und SMS zur Therapie von Drogenabhängigen
In Baltimore laufen Methadon-Substituierte mit PDAs und GPS durch die Stadt und geben Auskunft über Standort und Befindlichkeit
Der Hype rund um die Lokalisierungsdienste hat nun auch die Drogentherapie erreicht. Im Rahmen einer Studie des „National Institute on Drug Abuse“ (NIDA) statteten Wissenschaftler der Universität Baltimore Heroinabhängige mit PDAs und GPS-Empfänger aus. Die Teilnehmer werden in unregelmäßigen Abständen über das PDA nach ihrer mentalen und körperlichen Verfassung befragt. In Abgleich mit existierenden Karten zur sozialen und wirtschaftlichen Struktur soll festgestellt werden, unter welchen äußeren Bedingungen sich der Zustand der Teilnehmer ändert.
Die 25 Heroinabhängigen nehmen an einem städtischen Methadon-Substitutionsprogramm teil. Durch ihre urbanen Bewegungsprofile wollen die Forscher nach eigenen Angaben verstehen lernen, wie Abhängigkeit in Raum und Zeit gelebt wird.
So interessant der Ansatz klingt, so schwer ist vorherzusehen, welche praktischen Auswirkungen die Ergebnisse auf das zukünftige Leben von Drogenabhängigen haben werden. Einer der Forscher, David Epstein, verweist auf eine bekannte Theorie, die annimmt, dass ritualisierte Bewegungsmuster einen wichtigen Anteil bei Rückfällen hätten. Als Beispiel wird der Alkoholiker genannt, der auf dem Weg nach Hause an seiner alten Bar vorbei kommt. Die Vorstellung der Forscher scheint zu sein, dass ein auf ein PDA versandter Warnhinweis den Abhängigen davon abhält, bestimmte Straßenzüge zu betreten.
In diesem Sinne kann das Projekt zu einer weiteren Methode der sozialen Kontrolle degenerieren, in dem Problemgruppen aus spezifischen Zonen der Stadt heraus gehalten werden.
Zudem ist der Mehrwert unklar. Ersten Ergebnissen nach halten sich die Teilnehmer die meiste Zeit in sozial-ökonomisch normalen Stadtteilen auf, erst bei akuter Intoxikation wurden sie in Stadtteilen mit hoher Verbrechensdichte geortet. Noch ist nicht deutlich, wie die Wissenschaftler Ursache und Wirkung auseinander halten wollen.
Von den sozial-strukturellen Erkenntnissen ist es ein kleiner Schritt zur therapeutischen Einflussnahme. Seit einiger Zeit werden verhaltensverändernde SMS-Interventionen international getestet, um beispielsweise Raucher, Diabetiker und übergewichtige Kinder auf der richtigen Spur zu halten.
Auch in Deutschland sucht man Abhängigkeit mit Technik zu begegnen. In diesem Jahr startet die Universität Greifswald in Kooperation mit dem Koordinierungszentrum für klinische Studien Leipzig und drei weiteren Kliniken im Nordosten eine große Langzeitstudie mit 468 Alkoholabhängigen. Ziel ist die Erhöhung von Abstinenzraten und die Senkung des Alkoholkonsums bei Patienten nach ihrer Entgiftung. Dazu werden automatisierte SMS verschickt, um Zustandswerte und Hilfebedarf zu erfassen. Im Falle eines Hilfebedarfs ruft der Therapeut zurück und bietet Unterstützung an. Mit dem durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft unterstützten Projekt will man analysieren, ob eine Fernbetreuung per SMS langfristig positive Effekte für die Betroffenen bringt.