Gleich und Gleich gesellt sich gern

Nachbarschaftliches geselliges Beisammensein auf der Straße ist nicht verboten. Nicht mal im Gefahrengebiet. Selbst in Hamburg nicht.

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Wir erinnern uns: Nachdem am 21. Dezember 2013 eine Demonstration zum Erhalt des linken Kulturzentrums Rote Flora im Hamburger Stadtteil Sternschanze völlig aus dem Ruder gelaufen war, verhängte die Hamburger Polizei Anfang Januar ein weiträumiges Gefahrengebiet. Schuld waren wie immer die Linken. Alles, was nur im entferntesten im Verdacht stand, mit links zu sympathisieren, wurde daraufhin kontrolliert und in Zweifelsfall erst einmal in Gewahrsam genommen. So auch mehr als 50 Personen, die sich verabredet hatten, um vor Ort gegen den Ausnahmezustand zu protestieren. Sie wurden eingekesselt, Personalien festgestellt und 44 Personen über Nacht auf der Polizeiwache festgehalten. Das war rechtswidrig! Das entschied das Verwaltungsgericht Hamburg Ende vergangener Woche.

Konkret bedeutete Gefahrengebiet: Die Polizei legte eigenständig das Gebiet und die Dauer fest, in der verdachtsunabhängige Personen- und Taschenkontrollen durchgeführt, Platzverweise ausgesprochen oder auch Ingewahrsamnahmen durchgeführt werden konnten. Sie legte eigenständig fest, wie oft und mit wie viel Personal diese Kontrollen durchgeführt wurden. Das alles, um "sehr deutlich (zu) machen, dass die Polizei Hamburg alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen wird, um Leib und Leben ihrer Beamten zu schützen", wie sie in einer Presseerklärung vom 3.1.2014 mitteilte. Seit dem 4.1.2014 6 Uhr Ortszeit wurde demnach also zurückrandaliert.

Nun ist es aber selbst im Gefahrengebiet so, dass alle Anwohnenden das Recht haben, ein Transparent zu malen, und damit auf die Straße zu gehen, wie Anwalt Andreas Beuth laut taz Hamburg erläuterte. Wenn sich dann aus der Nachbarschaft spontan andere dazu gesellen, sei es deren gutes Recht, so der Strafverteidiger.

Beuths Kollegin Ingrid Witte-Rohde sah ebenfalls nicht die Ruhe im Gefahrengebiet gestört, sondern in der "Verhinderung der Spontandemo eine grundrechtswidrige Beschneidung des Rechts auf Versammlungsfreiheit". Eine Sicht, der sich das Gericht anschloss. 17 der Betroffenen hatten gegen den Polizeikessel und die Ingewahrsamnahme geklagt. Nachdem sie nun Recht bekommen haben, wollen Beuth und Witte-Rohde vor Gericht eine Entschädigung für ihre Mandantschaft erstreiten. Die Gegenseite wird vermutlich darauf verzichten, den Rechtsweg gegen dieses Urteil zu beschreiten. Zumindest gaben sich die laut taz die "Polizei-AnwältInnen schuldbewusst".

Wenige Tage nach Errichtung des weiträumigen Gefahrengebiets wurde selbiges deutlich verkleinert, nachdem sich bundesweit Medien über das Spektakel lustig machten, bei dem die Klobürsten zum Symbol des Widerstands, schon mal Petersilie mit Marihuana verwechselt und die Staatsmacht auch sonst mächtig zum Narren gehalten wurde. Derzeit ist beim Oberlandesgericht Hamburg eine Klage anhängig, im Rahmen derer die Justiz grundsätzlich die Rechtmäßigkeit des Gefahrengebiets klären muss. Die Dauer des Verfahrens ist noch nicht abzusehen.