Indirekte Gewehrfeuerquote
Nach dem Ausspruch eines Verbots durch Islamisten senden somalische Radios Geräusche statt Musik
Während islamistische Gruppen in Nigeria Bildung als "haram" (sündig) werten, haben ihre Kollegen in Somalia die Musik ins Auge gefasst: Nicht nur solche, die zu laut ist, und andere belästigt, sondern auch jene, die in Zimmerlautstärke oder über Kopfhörer gehört wird. Die Hizbul al-Islam stellte deshalb den somalischen Radiosendern ein bis gestern laufendes Ultimatum, das Abspielen von Musik einzustellen. Sonst, so die Islamisten, gäbe es "Konsequenzen".
Mittlerweile beugten sich fast alle Stationen dieser Drohung. Lediglich ein Sender der von den USA unterstützten (aber faktisch weitgehend machtlosen) Regierung und ein Uno-Radio spielen noch Musik. Drei Stationen, Shabelle, Tusmo und Horn Afrik senden seitdem neben ihren Wortbeiträgen Material aus ihren Geräuscharchiven: Tierlaute, Meeresrauschen – und natürlich das landestypische Gewehrfeuer.
Im letzten Jahr hatten Unbekannte Said Tahliil Ahmed, den Chef von Horn Afrik erschossen und Mukhtar Mohamed Hirabe, den Direktor von Shabelle, verwundet. Die beiden waren zu einem Treffen mit Führern der islamistischen al-Shabaab-Miliz unterwegs, die mit der Hizbul al-Islam verbündet ist, aber teilweise auch mit ihr konkurriert, wobei Clanzugehörigkeiten eine Rolle spielen. Zwei Jahre vorher war der damalige Horn-Afrik-Chef Ali Iman Sharke Opfer einer Autobombe geworden, als er von der Beerdigung des ebenfalls ermordeten Capital-Voice-Radio-Direktors Mahad Ahmed Elmi heimfahren wollte. Im gleichen Jahr kam auch der geschäftsführende Direktor von Shabele, Bashir Nor Gedi, gewaltsam ums Leben.
Im März dieses Jahres nahmen die al-Shabaab-Milizen in ihrem Herrschaftsgebiet Ahmed Omar Salihi, den Direktor des Radiosenders Markabley und jeweils einen Reporter von Shabele und Horn Afrik fest. Allerdings ging es dabei nicht um Musik, sondern um die Beschwerden von Stammesältesten über das von den Islamisten errichtete Regime und die Berichte der Sender darüber.
In der Vergangenheit hatten Islamisten in Somalia unter anderem versucht, Filmvorführungen und Sportübertragungen zu verbieten. Nach dem Einmarsch der äthiopischen Armee im Dezember 2006 erlitten diese Bemühungen einen Rückschlag. Seit dem Abzug dieser Truppen im letzten Jahr befinden sich jedoch sowohl der Süden als auch große Teile der Landesmitte wieder in den Händen der al-Shabaab-Miliz und anderer Glaubenskrieger.