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Irak: Große Allianz gegen Maliki?

Politische Konkurrenten, wie die schiitische Groß-Partei ISCI, sowie Gegenspieler wie Muqtada al-Sadrs Block und sunnitische Awakening-Gruppierungen vereinigen sich zu einem neuen Bündnis

Im Irak hat sich eine neue Allianz, die Iraqi National Alliance (INA), formiert, bestehend im Kern aus den schiitischen Parteien Islamic Supreme Council of Iraq (ISCI) (vormals SCIRI) und den Sadristen, jenem schlagzeilenträchtigen politischen Block, der von dem schillernden und lange Zeit von den USA bekämpften Schiiten-Führer Muktada al-Sadr geleitet wird.

Die große Überraschung dieser Allianz besteht zum einen darin, dass die beiden größten Parteien, ISCI und die Sadristen, ein gemeinsames politische Bündnis eingegangen sind, nachdem sich ihre Milizen jahrelang Kämpfe lieferten. Und: Dass sich ihr nur Abspitterungen der Dawa-Partei - Tanzim al-Iraq und der Zweig des ehemaligen Premiers Jafaari - angeschlossen haben, nicht aber die Dawa-Sektion, der der Premierminister al-Maliki vorsteht. Von Mitgliedern der neuen Allianz wird zwar die Absicht bekundet, Maliki zum Bündnis zu überreden, wie das aber konkret aussehen soll, ist unklar.

Bislang lehnte Maliki seine Teilnahme ab - mit Hinweis auf "Milizen". Es ist wahrscheinlich, dass er seine Macht von keinem Allianz-Programm (in der Machtfaktoren wie die militärische Unterfütterung durch Badr-Miliz oder die Miliz der Sadristen schon zählen dürften) beschränkt sehen will. Die heutige öffentliche Ankündigung der Allianz-Gründung wird von manchen als Druckmittel verstanden, Maliki ins Boot zu zwingen.

So steht auch das Fehlen des Premiers im Mittelpunkt der Nachrichtenagenturmeldungen [1], zumal Maliki als politischer Adressant der Bombenanschläge in der letzten Woche gilt. Als bemerkenswert wird zudem hervorgehoben, dass die neue Allianz eine größere Nähe zum Iran dokumentiert. Damit wird erneut die Sorge um den Einfluss Irans auf die Machtverhältnisse im Irak herausgehoben.

Der Kommentar [2] des langjährigen Beobachters der innenpolitischen Entwicklungen im Irak, dem norwegischen Wissenschaftler Reidar Vissar [3], relativiert diese Lesart, die sich gut in bekannte, von den USA immer wieder forcierte Interpretationen fügt. Vissars Auffassung nach demonstriert das neue Bündnis, dessen Entwicklung über Monate er in seinem Artikel nachzeichnet, zunächst ein erstarktes patriotisches Moment in der irakischen Politik. Dafür spricht u.a., dass sich auch Sunniten, namentlich das Anbar Salvation Council, ein Zusammenschluss mehrerer Awaking-Gruppierungen, der neuen Allianz angeschlossen haben. In der neuen Allianz sind zudem Gruppierungen intergriert, die nicht zur alten schiitischen Allianz (UIA) gehörten.

Die Sadristen haben sich immer deutlich als unbedingte Besatzungsgegner dargestellt und für den Zusammenhalt des Landes plädiert, als andere Gruppierungen wie vorneweg die Kurden und hinterdrein die ISCI die irakischen Föderalismuspläne als Wege zu abgespaltenen, quasi-autonomen Regionen begriffen. Offensichtlich hat bei der ISCI ein Umdenken stattgefunden. Nachdem man bei den Kommunalwahlen viele Stimmen verloren hatte, versucht man es jetzt mit einer Politik, die den nationalen Einheitsgedanken betont; die Sadristen hatten damit bei den Wählern mehr Erfolg und den erhofft sich ISCI jetzt auch bei den Parlamentswahlen im Januar nächsten Jahres.

Inwieweit eine stärkere nationale Ausrichtung das Bündnis tatsächlich motiviert, wird sich in den kommenden Wochen zeigen. Möglicherweise ist die Gründung vor allem gegen Maliki gerichtet, als Schachzug und Konter gegen dessen Machtstellung. Zumal der Premier sich seit Monaten beinahe wie ein Alleinherscher geriert und mit seinem Machtnimbus bei den Kommunalwahlen auch kräftig Stimmen sammelte.


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[1] http://www.google.com/hostednews/ap/article/ALeqM5hwK_CSpBxsNuVUEaDuOwmSSCiqGwD9A96MH80
[2] http://www.historiae.org/INA.asp
[3] http://www.historiae.org/