Japan: USA wussten 1983, dass die Sowjets Flug KAL 007 für ein Spionageflugzeug hielten
Freigegebenes japanisches Geheimdokument belegt Kenntnis der USA vom provozierten Irrtum der Sowjets
Während den Spannungen zwischen den beiden Supermächten im Herbst 1983 (Um Haaresbreite) schossen die Sowjets am 1. September 1983 ein südkoreanisches Verkehrsflugzeug der Korean Airlines ab, das unter bis heute noch nicht gänzlich geklärten Umständen in den Luftraum der UdSSR eingedrungen war. Der Abschuss von Flug KAL 007 kostete 269 Menschen das Leben, darunter auch ein US-Kongressabgeordneter, und spielte Reagans Propaganda in die Hände, der zuvor die Sowjetunion als das „Reich des Bösen“ dämonisiert hatte.
Nunmehr berichtet RT über ein vom japanischen Außenministerium freigegebenes Dokument, dem zufolge die USA entgegen der offiziellen Darstellung Kenntnis davon hatten, dass es sich beim als "Akt der Barbarei" und "unmenschlichen Brutalität" bezeichneten Abschuss um ein durch US-Spionageoperationen provoziertes Versehen gehandelt hatte. So hatte dem Dokument zufolge ein hochrangiger US-Beamter zwei Monate nach dem Abschuss Tokyo darüber informiert, dass die Sowjets die Passagiermaschine mit einem US-Spionageflugzeug verwechselten. Der US-Beamte kommunizierte auch das Interesse der USA an der Bergung des Flugschreibers des versunkenen Flugzeugs auf geheime Weise.
Die Passagiermaschine befand sich über einem hochsensiblen militärischen Sperrgebiet und bewegte sich ausgerechnet über einer Region mit Militärinstallationen, die zur strategischen Abschreckung der Sowjetunion gehörten. Der den Abschussbefehl ausführende russische Jagdpilot beteuerte, dass die Piloten nicht auf Warnschüsse reagiert hätten und hielt es für einen US-Spionageflieger des Typs RC-135. Bei beiden Flugzeugen handelte es sich um viermotorige Maschinen; die RC-135 war eine Boeing 707, die KAL 007 eine Boeing 747, die sich zwar in der Größe, kaum jedoch in der Silhouette unterschieden, insbesondere nachts. Unklar ist, ob die Sowjets das Flugzeug auf der internationalen Notfrequenz angefunkt hatten. Die Aufnahme des von den Russen geborgenen Flugschreibers endete knapp zwei Minuten vor dem Absturz.
Tatsächlich befand sich in jener Nacht wieder routinemäßig eine RC-135 von See her in Höhe des Sperrgebiets im Anflug auf die sowjetische Küste. Normalerweise drehte das amerikanische Spionageflugzeug dann kurz vor dem sowjetischen Luftraum nach Süden ab, um im internationalen Luftraum entlang der sowjetischen Grenze zu fliegen und mit Mitteln der elektronischen Aufklärung, mit denen die RC-135 vollgestopft war, in das Sperrgebiet hinein zu "horchen" und zu "sehen". Durch den angetäuschten Anflug in Luftraum über fremdem Hoheitsgebiet sollten etwa versteckte Radarstationen zur Aktivität provoziert und hierdurch enttarnt werden. Das war für die Sowjets lästig, jedoch nach internationalem Recht erlaubt. Im April waren während der Übung FleetEx '83 sogar mehrfach Aufklärungsflugzeuge der US Navy in den sowjetischen Luftraum eingedrungen, wie nun aus ungeklärter Ursache KAL 007.
Vor dem Abschuss hatten sich die Flugrouten im Radarschatten gekreuzt, so dass auf den sowjetischen Monitoren die Zuordnung nicht mehr eindeutig möglich war. Der damals im NATO-Hauptquartier eingesetzte Analyst und Doppelagent Rainer Rupp berichtete, dass einige Monate später ein Intelligence Memorandum des militärischen US-Nachrichtendienst DIA einging, in dem von einem jüngst gelungen "durchschlagenden Erfolg" bei der Aufklärung der sowjetischen C3-Zentren im russischen Fernen Osten geprahlt worden sei. Es sei ein tragisches Nebenprodukt des KAL 007-Abschusses gewesen, aber eine offizielle Verbindung der USA zu dieser Tragödie wurde natürlich nicht hergestellt. (Ausführlich zum KAL 007-Abschuss: Der NATO-Spion - Teil 2).
Obwohl der US-Regierung offenbar die tatsächlichen Umstände bekannt waren, bestritt Präsident Reagan in einer Rede an die Nation ausführlich die Möglichkeit einer Verwechslung und schlug politisches Kapital aus der Tragödie. Dieses "Verbrechen gegen die Humanität" dürfe niemals vergessen werden, weder hier noch auf der gesamten Welt.
Let me state as plainly as I can: There was absolutely no justification, either legal or moral, for what the Soviets did. One newspaper in India said, "If every passenger plane...is fair game for home air forces...it will be the end to civil aviation as we know it." (…) Is this a practice of other countries in the world? The answer is no.
Diese Rhetorik des Weißen Hauses, die von einem jahrelangen Entzug von Überflug- und Landerechten für Aeroflot-Maschinen flankiert wurde, verstummte 1988, als die US-Navy irrtümlich über dem persischen Golf eine iranische Passagiermaschine Flug Iran Air 655 mit 275 Menschen abschoss, obwohl diese sogar über einen Transponder verfügte. Präsident George H.W. Bush lehnte eine bis heute ausgebliebene Entschuldigung für das Versagen seiner Leute ab und verlieh dem Kapitän den Legion-of-Merit-Orden "für außerordentliche Pflichterfüllung im Einsatz".