Kaczynski vor dem politischen Ende?

Die konservative PiS verlor in den Kommunalwahlen, zudem treten verstärkt Auflösungs- und Abspaltungstendenzen auf

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Für die Kommunalwahl in Polen am vergangenen Sonntag brauchte man einen langen Atem. Die Wahllokale schlossen erst um 22 Uhr und die ersten Hochrechnungen gab es erst eine Stunde später. Doch bis alle Stimme ausgerechnet wurden und die Staatliche Wahlkommission die letzten endgültigen Wahlergebnisse verkünden konnte, dauerte es bis zum gestrigen Dienstag. Dies lag jedoch nicht an irgendwelchen logistischen Problemen oder Wahlmanipulationen, sondern an dem Umfang der Wahlen. Die fast 30 Millionen wahlberechtigten Bürger in den 16 Woiwodschaften (Verwaltungsbezirken) wählten nicht nur ihre Bürgermeister, sondern auch gleich ihre Stadträte, Kreisräte und Woiwodschaftsparlamente, die vergleichbar sind mit den deutschen Landtagen.

Die polnischen Medien hatten jedoch nicht den langen Atem. Bereits am Montag erschienen in allen Tageszeitungen die ersten Kommentare, die auf den Ergebnissen der ersten Hochrechnungen basierten. "Es gibt weder einen triumphalen Sieg, noch eine spektakuläre Niederlage", schrieb beispielsweise Igor Janke, Journalist der konservativen Rzeczpospolita, und äußerte die gleiche Meinung, wie die meisten anderen Blätter des Landes.

Doch die Meinung kam etwas zu verfrüht. Die Bürgerplattform ( PO) von Premierminister Donald Tusk und die Recht und Gerechtigkeit PiS) von Jaroslaw Kaczynski gingen aus den Wahlen zwar mal wieder als die zwei stärksten Parteien hervor, doch als Sieger können sie sich trotzdem nicht fühlen. Die PO wurde mit durchschnittlich 31 Prozent zwar die stärkste Partei, verfehlte jedoch das Ergebnis, das ihr die Prognosen in den Wochen zuvor vorhersagten. Manche Demoskopen prophezeiten der rechtsliberalen Regierungspartei fast 50 Prozent.

Kaczynskis Nationalkonservative schnitten wiederum besser ab, als die Meinungsforscher in den vorherigen Wochen glauben ließen, aber als einen Erfolg, wie es die Partei selber tut, kann die PiS das Ergebnis dennoch nicht preisen. Im Vergleich zu dem 1. Wahlgang der diesjährigen Präsidentschaftswahlen, bei dem 36.5 Prozent für ihren Vorsitzenden Jaroslaw Kaczynski stimmten, verlor sie 13 Prozent. Nur auf 23 Prozent kam die PiS landesweit. Auch im Vergleich zu den Kommunalwahlen 2006 musste die nationalkonservative Partei Verluste hinnehmen, und dies teilweise sehr schmerzhafte.

Mittlerweile konnte die PO auch in vier von sechs östlichen Woiwodschaften des Landes, die bisher als die Hochburgen der PiS galten, zu stärksten Partei avancieren. Nur noch in der Woiwodschaft Lublin und dem Vorkarpatenland konnte die PiS ihre Position behalten. Schmerzhaft ist für die Partei auch das Ergebnis der Wahlen in den 10 größten Städten des Landes, in denen sie jeden 4. Stadtabgeordneten verlor.

Als Sieger der Kommunalwahl können sich dagegen das Bündnis der Demokratischen Linken ( SLD) und die Bauernpartei ( PSL) fühlen. Die Linken von Grzegorz Napieralski konnten mit landesweit 15 Prozent den Aufschwung der letzten Monate behaupten. Drittstärkste Kraft wurden landesweit jedoch die Koalitionspartner der PO. Auf 16 Prozent kam die PSL, in der Wojewodschaft Heiligkreuz sogar auf 32 Prozent, und dies, obwohl der Partei von Vizepremier und Wirtschaftsminister Waldemar Pawlak in den Vorhersagen nur höchstens 5 Prozent prognostiziert wurden.

Doch die wahren Sieger der Kommunalwahlen vom vergangenen Sonntag sind die zahlreichen lokalen, unabhängigen Bündnisse und Kandidaten. So wurde in Gdingen der seit 12 Jahren amtierende Wojciech Szczurek zum Bürgermeister wiedergewählt, und dies mit einem Ergebnis, das fast an die Zeiten der Volksrepublik erinnert: 88 Prozent. Und auch im Stadtrat erreichte sein Unterstützungskomitee die Mehrheit. Ein ebenfalls beeindruckendes Ergebnis erzielte der Breslauer Stadtpräsident Rafal Dutkiewicz. Der Politiker, dem immer wieder auch höhere politische Ambitionen nachgesagt werden, wurde mit fast 72 Prozent nicht nur in seinem Amt bestätigt. Sein Unterstützungskomitee bekam in der Woiwodschaft Niederschlesien die meisten Stimmen. Für eine Überraschung sorgte die Bewegung für die Autonomie Schlesiens, kurz RAS, die in der gleichnamigen Woiwodschaft mit der Hauptstadt Kattowitz mit 8.5 Prozent die viertstärkste politische Kraft wurde.

Auflösungserscheinungen bei den Konservativen

Da die Kommunalwahlen von den etablierten Parteien auch als eine Generalprobe für die im nächsten Jahr stattfindenden Parlamentswahlen verstanden wurden, ist es spannend, welche Auswirkungen sie auf die Politik in Warschau haben könnten. Schwere Zeiten könnten jedenfalls auf die nationalkonservative PiS von Jaroslaw Kaczynski zukommen, die nicht nur die Verluste von Sonntag hinnehmen muss, sondern auch mit innerparteilichen Auflösungstendenzen zu kämpfen hat.

Schon in den vergangenen Wochen schieden einige namhafte und mittlerweile ehemalige PiS-Politiker, denen Kaczynski Liberalismus und fehlende Loyalität vorwarf, aus der Partei mehr oder weniger freiwillig aus. Vergangene Woche kündigten diese, darunter Michal Kaminski, Adam Bielan und Joanna Kluzik-Rostkowska, Leute die bisher die Wahlkämpfe der Partei koordinierten, die Gründung ihrer eigenen Gruppierung an. "Polen ist am wichtigsten" heißt die neue Gruppierung und ist schon aufgrund ihres Namens ein Seitenhieb gegenüber Jaroslaw Kaczynski. Dies war dessen Wahlkampfmotto im diesjährigen Präsidentschaftswahlkampf.

Abspaltungen innerhalb der PiS gab es schon in den vergangenen Jahren, doch keine der Gruppierungen konnte sich in der polnischen Parteienlandschaft etablieren. Mit "Polen ist am wichtigsten" könnte es jedoch anders sein. Dieser gehören seit gestern auch 15 Sejmabgeordnete an, was ihnen das Recht gibt, im Parlament eine eigene Fraktion zu bilden. Damit hat die Gruppierung eine Bühne, die den anderen Abspaltungen aus der PiS fehlte. Was dazu führt, dass nicht wenige polnische Konservative von einer Koalition zwischen "Polen ist am wichtigsten" und der PO von Donald Tusk träumen, von einer Einheit der polnischen Konservativen, deren Streit die polnische Politik seit Jahren bestimmt.