Kohleausstieg: Schon ein bisschen ist für Altmaier zu viel

Kraftwerk Buschhaus im helmstedter Revier. Bild: Axel Hindemith/CC BY-SA-3.0

Hinter den Kulissen wird gemunkelt, dass ein paar Braunkohlekraftwerke schon bald abgeschaltet werden könnten. Doch das Bundeswirtschaftsministerium dementiert

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Hat er nun oder hat er nicht. Die Rheinische Post will erfahren haben, dass Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) mit dem Gedanken spielt, Braunkohlekraftwerke mit einer Leistung von fünf Gigawatt (GW) kurzfristig abzuschalten. Aus dem Ministerium kam allerdings postwendend ein Dementi.

Schade eigentlich. Fünf GW wären ein knappes Viertel der deutschen Braunkohlekapazitäten. Die Kraftwerke haben meist einen Wirkungsgrad von nicht viel mehr als 35 Prozent. Sie stillzulegen könnte die deutschen Treibhausgasemissionen deutlich reduzieren. Man käme sogar dem seit über zehn Jahren von allen Regierungen unter Angela Merkel (CDU) versprochenen 40-Prozent-Ziel für 2020 etwas näher.

Um 40 Prozent gegenüber 1990 sollen die deutschen Treibhausgasemissionen bis 2020 vermindert sein. So hatte es die Bundeskanzlerin noch im letzten Bundestagswahlkampf versprochen, und so hatten es ihre Regierung seit 2007 immer wieder auf internationalen Klimaschutzkonferenzen verkündet. Erreicht sind allerdings erst gut 27 Prozent, und mit dem Koalitionsvertrag hatte die neue, nicht mehr ganz so große Koalition das Ziel offiziell beerdigt.

Gas statt Braunkohle

Braunkohlekraftwerke haben 2016 150 Milliarden Kilowattstunden Strom geliefert (knapp 23 Prozent der hiesigen Bruttoproduktion)* und waren damit für 154,7 Millionen Tonnen Treibhausgasemissionen verantwortlich, wie aus den zum Beispiel hier zusammengefassten Daten hervor geht. Das waren rund die Hälfte der Emissionen des Kraftwerkssektor. Um ein Viertel reduziert, wären das rund 39 Millionen Tonnen weniger. (Damit wären die jährlichen deutschen Emissionen um 31 Prozent gegenüber 1990 reduziert.)

25 Prozent weniger Braunkohlestrom wären 37,5 Milliarden Kilowattstunden. Das ist weniger als der Nettoexport der letzten Jahre. 2016 lag dieser bei 50,52 Milliarden Kilowattstunden. Wollte man Strom dennoch ersetzen, dann könnte er zum Beispiel zunächst in den Gaskraftwerken produziert werden, bevor genug erneuerbare Energieträger zur Verfügung stünden.

Gaskraftwerke hat Deutschland mit einer Kapazität von 29,55 GW. Liefen diese ganzjährig mit Volllast, das heißt 365 Tage im Jahr rund um die Uhr, dann würden sie 259 Milliarden Kilowattstunden liefern. Tatsächlich waren es 2016 aber nur 80,5 Milliarden Kilowattstunden. Dabei haben sie 25,8 Millionen Tonnen Treibhausgase produziert, also 0,32 Kilogramm pro Kilowattstunde.

Viele große Schritte notwendig

Aus all den Zahlen ergibt sich zweierlei: Man könnte zum einen weiter wie verrückt Strom exportieren und einfach die fünf Gigawatt, die Altmaier vielleicht oder auch doch nicht stilllegen will, durch Gaskraftwerke ersetzen. Die Emissionseinsparung würde dann (39 – (37,5*0,32) =) 27 Million Tonnen Treibhausgase betragen.

Oder man könnte zum anderen einen ausgeglichenen Stromhandel mit dem Ausland anstreben und zugleich alle Braunkohlekraftwerke sofort stilllegen. Dann müssten jährlich rund 95 Milliarden Kilowattstunden anderweitig produziert werden. Das ginge zum Beispiel mit den meist kaum ausgelasteten Gaskraftwerken. Ihre durchschnittliche Auslastung würde dann von 31 Prozent auf 68 Prozent steigen.

Die jährliche Einsparung an Treibhausgasen würde, die Emissionen der Gaskraftwerke mit berücksichtigt, 124,3 Millionen Tonnen betragen. Damit wäre Deutschland noch lange nicht bei Null-Emissionen angekommen, sondern erst bei rund 780 Millionen Tonnen jährlicher Treibhausgasemissionen, doch immerhin ein Stückchen näher am Ziel für 2020.

Nun lässt aber Bundeswirtschaftsminister Altmaier dementieren, dass er auch nur einen kleinen Teil dieses großen aber noch längst nicht ausreichenden Schrittes machen will. Doch der jüngste IPCC-BerichtTelepolis berichtete –, der im übrigen auch von der Bundesregierung abgesegnet wurde, denn Deutschland ist wie alle UN-Staaten Mitglied des IPCC, sollte auch dem Letzten deutlich gemacht haben, dass die Welt in den kommenden Jahren eine Vielzahl solcher großen Schritte braucht, damit der Klimawandel noch in einem halbwegs verträglichen Rahmen gehalten werden kann.

* Nachträglich korrigiert. Danke für den Hinweis.