Mülheim, Essen und Oberhausen gegen E-Zigaretten
Die Ruhrgebietsstädte wollen den Verkauf von nikotinhaltigen Liquids als ungenehmigte Abgabe von Arzneimitteln ahnden
Mittlerweile soll es in Deutschland 1,2 Millionen Nutzer von elektrischen Zigaretten geben. Weil beim Verbrennen von Tabak zahlreiche gesundheitsschädliche (und teilweise krebserregende) Stoffe freigesetzt werden, verdampfen solche E-Zigaretten stattdessen Nikotin, das nur in hohen Dosen giftig ist und sich im Körper nicht ansammelt, sondern relativ schnell abgebaut wird.
Bisherigen Studien zufolge scheinen sich die Nachteile der elektronischen Zigarette gegenüber der mit Tabak befüllten in Grenzen zu halten: Eine karzinogene Wirkung des reinen Nikotins wird von der Mehrheit der Wissenschaftler heute verneint und die amerikanische FDA stellte lediglich fest, dass das Alkaloid noch Reste schädlicher Tabakstoffe enthalten kann, die allerdings in Zigaretten in weitaus größerer Konzentration vorhanden sind. Eine in der Fachzeitschrift Tobacco Control veröffentliche kalifornische Studie konnte ausschließlich bemängeln, dass Kartuschen auslaufen oder beim Wegwerfen noch Restnikotin enthalten können.
Entsprechend schwer haben es Nikotingegner bislang, Argumente gegen E-Zigaretten zu finden. Da muss schon einmal Propylenglykol herhalten, das in den Liquids enthalten ist, um Dampf zu erzeugen und so auch ohne Rauch ein Gefühl des Inhalierens zu vermitteln. "Pro-Py-Len-Gly-Kol" - so betonte unlängst eine Verbraucherschützerin im öffentlich-rechtlichen WDR-Fernsehen die Substanz auf jeder Silbe und fragte: "Wollen Sie das in ihren Lungen haben?" Was sie dabei nicht erwähnte, ist, dass es sich bei der so gefährlich ausgesprochenen Substanz um nichts anderes als einen seit langem gebräuchlichen Lebensmittelzusatz handelt, der auch als Trägersubstanz in Asthmasprays Verwendung findet.
Ganz besonders eifrig im Kampf gegen E-Zigaretten gibt sich auch eine andere Frau aus Nordrhein-Westfalen: die grüne Gesundheitsministerin Barbara Steffens (die in der Wirtschaftskrise einen Beweis für die Überlegenheit von Frauen und die Notwendigkeit einer Frauenquote in Aufsichtsräten sieht). Im Dezember hatte Steffens verlautbart, dass keine der derzeit erhältlichen nikotinhaltigen Befüllkartuschen behördlich zugelassen sei.
Solch eine Zulassung, die viele Jahre auf sich warten lassen kann, wäre ihrer Ansicht nach aber notwendig, weil Liquids (anders als Zigaretten) unter das Arzneimittelschutzgesetz fallen würden. Die Argumentation, warum die steuerfreien Nikotinbehälter rechtlich "Medikamente" sein sollen, ist - wenn man sie sich genauer ansieht - bemerkenswert: Weil sie angeblich viele Raucher nicht nur als gesündere Alternative, sondern auch zur Entwöhnung von Tabak nutzen, wird E-Zigaretten nämlich eine "gesundheitsfördernde Wirkung" und damit eine Zulassungspflichtigkeit unterstellt.
Dieser rechtlich durchaus umstrittenen Meinung schlossen sich nun die Städte Mülheim, Essen und Oberhausen an. Mülheim forderte Händler in seinem Stadtgebiet auf, den Verkauf umgehend einzustellen, weil man "gemeldete Verstöße ab sofort überprüfen" und anschließend nicht nur "ordnungsrechtliche Maßnahmen einleiten", sondern auch die Staatsanwaltschaft informieren werde. Ohne Zulassung sei der Verkauf von Liquids nämlich eine Straftat, die bis zu einem Jahr Gefängnis nach sich ziehen könne.
Der Verband des E-Zigarettenhandels ließ angesichts dieser Verlautbarung nicht lange mit einer Schadensersatzdrohung auf sich warten. Für Konsumenten dürften die kommunalen Verbote dagegen vorerst eher indirekte Auswirkungen haben: Da alle drei Städte im zusammengewachsenen und verkehrstechnisch gut erschlossenen Ruhrgebiet liegen, werden Konsumenten kaum Schwierigkeit haben, ihre Liquids in benachbarten Ortschaften zu kaufen - oder gleich im Internet.