Nicht nur "Billionaires for Bush"

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Midtown Manhattan, 4.30 pm

Die Grossdemo gegen Bush und die Republikaner ist vorbei, und nach allem, was ich heute Nachmittag in Midtown Manhattan rund um den "Madison Square Garden" selbst erlebt und von Bekannten und Freunden gehört habe, als politischer Erfolg für die - nein, uns Bush-Gegner zu werten. Trotz einer ungeheuren Polizeipräsenz und diversen Versuchen von "agents provocateurs", riots zu starten - sie steckten vor dem "Madison Square Garden" einen Papiermache-Drachen in Brand, konnten wir sogar unsere Kleinen (drei Jahre und vier Monate alt) mit den Kinderwägen ein paar Häuserblocks lang tränengasfrei und ohne die Drohkulisse von Knüppelcops in der Demo langfahren.

Wir hatten uns am Vormittag im Büro in der 39sten Strasse frischgemacht, waren die Fifth Avenue bis zu den Polizeibarrikaden hinuntergetrottet und erlebten die Promi-Spitze des Demozuges: Michael Moore, Jesse Jackson, Danny Glover und die Demoorganisatoren. Die Menge, die singend, schimpfend, tanzend oder einfach nur schweigsam Schilder hochhaltend hinterherzog, hätte sogar meinen Freund Roger in New Jersey angenehm bewegt. Er mag Menschenmassen ebensowenig wie das hektische Manhattan, obwohl er hier seit Jahren arbeitet. Ich werde ihm am Dienstag, wenn er mich im Büro besucht, davon erzählen.

Die "Billionaires for Bush" (www.billionairesforbush.com), hinter denen wir herziehen, sind wie immer mit Smokings, Fracks und Cocktailkleidern ausgestattet. "Four more wars !", eine Anlehnung an das Fanstakkato "Four more years !" für Washingtoner Amtsinhaber im Wahlkampf, rufen vielleicht Zweihundert. Szenenapplaus und Gelächter von Stassenrand. Zum Glück biegen sie am "Madison Square" in den Schatten der Bäume ab. Denn auch wir brauchen einen Anlass, uns dem bunten Protesttrubel für eine Weile zu entziehen. Hunger und Durst bei den Kids, und bei uns das Bedürfnis, über die gelungene Demo zu reden, treiben uns auf den Kinderspielplatz.

Ein erster Blick auf die Abendpostings der hiesigen Presse - "New York Times", "Daily News", ja selbst des rechten Schmähblattes "New York Post" - und in die Fernsehnachrichten überrascht mich. Der Tenor lautet: die Massenproteste am Vorabend der Eröffnung der Republikaner-"Convention" sind friedlich verlaufen, die Demonstranten machten deutlich, dass es legitime und fundamentale Kritik an der Bush-Regierung gibt. Der rechte Radausender "Fox News" bringt sogar ein paar Sekunden von Moore und Jackson. Was Viele - auch ich - befürchtet hatten, dass nämlich die Medien die Demo als Anliegen von Durchgeknallten, die von "Middle America" abweichen, porträtieren würden, bewahrheitet sich erstmal nicht.