Polen: Kein Lohn trotz Arbeit
Die Wirtschaftskrise hat Polen erreicht, die Arbeitslosenquote ist auf 11,2 Prozent gestiegen.
"Polen ist nicht von der weltweiten Wirtschaftskrise betroffen." Diesen Optimismus verbreitet die polnische Regierung von Premierminister Donald Tusk seit dem vergangenen Herbst und beruft sich dabei auf die Prognosen der Europäischen Union und anderer Organisationen, die dem Land östlich der Oder bessere Wirtschaftsdaten vorhersagen als seinen europäischen Nachbarn. Dass Polen trotz aller beruhigender Floskeln die Auswirkungen der globalen Krise dennoch zu spüren bekommt, musste die Regierung spätestens in den ersten Monaten des Jahres eingestehen, als in Warschau ein Sparpaket in Höhe von fast 20 Milliarden Zloty, ca. 4.5 Milliarden Euro, beschlossen wurde.
Wie neueste Untersuchungen der Zentralen Arbeitsaufsichtsbehörde zeigen, die um die 19.300 Betriebe kontrolliert hat, macht sich die Wirtschaftskrise aber nicht nur im Staatshaushalt bemerkbar, sondern auch im Geldbeutel der polnischen Arbeitnehmer. „Im ersten Quartal des Jahres 2009 erhielten 19.000 Beschäftigte ihren Lohn nicht ausgezahlt. Das sind sechsmal mehr als zum selben Zeitpunkt des letzten Jahres“, sagte Tadeusz Zajac, Leiter der Aufsichtsbehörde, bei der Vorstellung der neusten Untersuchungsergebnisse am vergangenen Freitag. Ein Anstieg, der sich auch finanziell bemerkbar macht. Während in den ersten drei Monaten 2008 Löhne in Höhe von 17 Millionen Zloty offen blieben, waren es von Januar bis März dieses Jahres gleich 32 Millionen.
Die Gründe für diesen beunruhigenden Anstieg, von dem vor allem Arbeitnehmer in großen Betrieben betroffen sind, sieht Zajac in der Wirtschaftskrise. „Die Arbeitgeber zahlen die Löhne nicht aus, nicht weil sie böswillig sind, sondern weil sie in enorme finanzielle Probleme geraten sind“, sagte der Leiter der Arbeitsaufsichtsbehörde, der trotz allem Verständnis die Arbeitgeber auch daran erinnerte, dass die Nichtauszahlung des Lohnes eine Straftat ist, die allerdings für das betroffene Unternehmen keine besonders schlimmen Folgen hat. In der Regel muss der Arbeitgeber gerade mal ein Strafgeld zwischen 1.000 und 2.000 Zloty an die Zentrale Arbeitsaufsichtsbehörde zahlen. Erst wenn solch eine Angelegenheit an die Justizbehörden weiter geleitet werden wird, muss der Arbeitgeber eine Strafe von bis zu 30.000 Zloty aufbringen.
Jeremi Mordasewicz, Experte des Privatunternehmerverbandes Lewiatan, sieht in den neuesten Untersuchungsergebnissen der Arbeitsaufsichtsbehörde jedoch keinen Grund zur Beunruhigung. „Die Nichtauszahlung von Gehältern ist in Polen kein Massenphänomen“, sagte der Wirtschaftsexperte der liberalen Gazeta Wyborcza. Optimistisch sieht Mordasewicz die Zukunft dennoch nicht. „Solche Fälle werden zunehmen“, erklärte der Mitarbeiter des Unternehmerverbandes und begründete dies mit weiteren Finanzproblemen der Arbeitsgeber.
Diese finanziellen Probleme der polnischen Unternehmen führen aber nicht nur zu einer Zunahme von nicht ausgezahlten Löhnen, sondern auch zum Anstieg der Arbeitslosigkeit, wie die am Montag bekannt gewordenen Arbeitslosenzahlen für März zeigen. Im Gegensatz zum Vormonat waren im März ca. 40.000 Menschen mehr arbeitslos gemeldet, was eine Arbeitslosenquote von 11.2 Prozent bedeutet. Damit setzte sich auch im März eine negative Entwicklung fort, die im Januar begann. Zur Erinnerung: Im Dezember waren 9.5 Prozent der Arbeitnehmer arbeitslos gemeldet.