"Referendum oder Referendum" über katalanische Unabhängigkeit
Regierungschef Puigdemont legte in der Debatte vor der Vertrauensfrage den Fahrplan für die Unabhängigkeit von Spanien fest
Schon bevor im katalanischen Parlament gestern darüber abgestimmt wurde, war klar, dass eine Mehrheit Carles Puigdemont das Vertrauen aussprechen würde. So war es dann auch: 73 Parlamentarier stimmten für und 62 gegen ih. Dafür war entscheidend, dass der katalanische Regierungschef schon am Vortag in der Debatte seinen Fahrplan vorgelegt hat, der Katalonien die Unabhängigkeit von Spanien bringen soll. Der katalanische Regierungschef hat Spanien erneut angeboten, sich nach dem Vorbild in Schottland auf die Durchführung einer Volksabstimmung zu einigen.
"Wir werden bis zum letzten Tag mit dem Willen dafür arbeiten, mit dem Staat ein Referendum abzustimmen", sagte Puigdemont. Wenn man aber in Madrid weiter keine Bereitschaft zeige, sei man bereit und werde spätestens in der zweiten Hälfte des Septembers des kommenden Jahres auch einseitig eine Abstimmung ansetzen. "Referendum oder Referendum", sagte er.
Hoffnung auf Bildung einer linken Regierung
In der Erwiderung auf die Kritiker aus den Reihen der spanischen Konservativen und der Sozialdemokraten schob er am Donnerstag nach, dass er noch eine "reale Option sieht", dass es zu einem Abkommen kommen könne. Den geschäftsführenden Regierungschef Mariano Rajoy schloss er dabei aus, der sich "eingebunkert" habe. Rajoy hatte Puigdemonts Christdemokraten erst auf den Unabhängigkeitszug gehoben, da er sich sogar weigerte, über eine bessere Finanzierung Kataloniens zu verhandeln. Unter seiner Regierung wurden die Autonomie- und Spracherechte Kataloniens systematisch untergraben.
Puigdemont und seine Partei hoffen noch auf eine alternative Regierung in Spanien, die bis Ende Oktober gebildet oder nach einem dritten Wahlgang im Dezember gewählt werden könnte. Die ist angesichts des offenen Kriegs, der bei den Sozialdemokraten ausgebrochen ist, allerdings sehr fraglich. Die Tatsache, dass es seit zehn Monaten keine Regierung mehr gäbe, sei ein klares Zeichen für einen Wandel.
Mit seinen klaren Aussagen hat er sich vor allem an die linksradikale CUP gerichtet. Die hatte klare Schritte in Richtung Unabhängigkeit gefordert. So war es die CUP-Sprecherin Anna Gabriel, die von der "vollen Übereinstimmung" sprach. Doch Puigdemont forderte von den Antikapitalisten die Zustimmung für den Haushalt im Gegenzug. Die CUP hatte ihn erst zur Vertrauensfrage gezwungen, als sie den Entwurf im Juni ablehnte, den der Chef der Republikanischen Linken (ERC) Oriol Junqueras ausgearbeitet hatte.
Puigdemont fordert nun eine "Vertrauenskette" von der CUP. "Entweder man beschließt den Haushalt von Junqueras oder ich nutze meine Kompetenzen und setze Neuwahlen an", drohte er. Und damit wäre der "Prozess" beendet, wie der Weg zur Schaffung eines eigenen Staats in Katalonien genannt wird. Einen Blankoscheck wollen die Antikapitalisten ihm aber nicht ausstellen, die Zustimmung hänge vom Inhalt ab. Der Haushalt müsse besser sein als der vom Juni, forderte die CUP "soziale Gerechtigkeit".
Man darf davon ausgehen, dass dabei weiter auf die CUP zugegangen wird. Aber klar ist auch, dass deren Wähler einer Partei, die besonders stark für die Eigenständigkeit Kataloniens eintritt, nie verzeihen, wenn sie den Prozess zum Kippen bringen würde. Deshalb rutschte die CUP im Sommer in eine tiefe Krise und war nahe der Spaltung.
Kriminalisierung der Unabhängigkeitsbefürworter
Zuletzt wurde auch am 11. September wieder auf verschiedenen Demonstrationen von den Parteien Einigkeit gefordert, die für die Unabhängigkeit eintreten. Etwa eine Million Menschen gingen in Katalonien am Nationalfeiertag auf die Straße, um den Prozess zu verteidigen und der zunehmenden Kriminalisierung aus Spanien entgegenzutreten. Die Kriminalisierung wird immer stärker, und die Verfahren gegen katalanische Politiker beginnen sich zu häufen. Immer deutlicher rasen zwei Züge aufeinander zu.
So drohen der Parlamentspräsidentin Carme Forcadell Amtsenthebung und strafrechtliche Konsequenzen wegen angeblichen zivilen Ungehorsams, weil sie eine Parlamentsdebatte zugelassen hatte, in der im Juli beschlossen wurde, den Prozess voranzutreiben und eigene staatliche Institutionen aufzubauen. Die Entscheidung liegt auf Eis, weil das Gericht erst entscheiden muss, ob das Gesetz, mit dem die Volkspartei (PP) von Rajoy das höchste Gericht mit diesen Kompetenzen ausgestattet hatte, überhaupt der Verfassung vereinbar ist.
Vor dem Obersten Gerichtshof laufen aber schon Verfahren gegen den früheren Regierungschef Artur Mas und die ehemaligen Regierungsmitglieder Joana Ortega, Irene Rigau und Francesc Homs. Sie sollen aufgrund einer unverbindlichen Volksbefragung wegen Rechtsbeugung, Ungehorsam und Amtsanmaßung bestraft werden, die vom Verfassungsgericht 2014 verboten worden war. Durchgeführt wurde sie daraufhin von zivilgesellschaftlichen Organisationen und 81% der 2,2 Millionen Teilnehmer sprachen sich für einen eigenen Staat aus.