Rückwärts ist vorne

Es kommt auf den Blickwinkel an. Wenn man rückwärts geht, kann das durchaus wie Fortschritt aussehen. Zum Beispiel auf einem iPhone

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Der iPod Classic war einmal, also vor knapp zwei Jahrzehnten, in die Welt gerufen worden, um die eigene Musiksammlung in eine Hosentasche zu bringen. Hätte man das damals mit einer Sammlung aus USB-Sticks versucht, wären die Hosen ziemlich voll gewesen. Dazumals passten die meisten Privatsammlungen im MP3-Formal nicht auf ein Gigabyte. Und Sticks einer solchen Datengröße gibt es heute, aber sie waren um die Jahrtausendwende nicht so erschwinglich. Also her mit dem iPod und seinem komischen Drehrad. Ein einem Ziegelstein nicht unähnlichen Gerät, dass zwar leichter und kleiner als sein Cousin aus gebranntem Lehm war, sonst auch auch in der Formgebung eher "klassisch" genannt werden konnte.

Nun ist das wie gesagt schon eine Weile her, ab 2007 konnte man mit dem Ziegelstein auch telefonieren, nannte ihn "iPhone" und braucht heute dank diverser Streamingdienste nicht einmal mehr den reichlich vorhandenen Speicherplatz, um seine privaten Top Ten dabeizuhaben. Zurück blieb vielleicht bei dem ein oder anderen die Sehnsucht nach der guten alten Jukebox in der Hosentasche. Aber da kann jetzt ein wenig geholfen werden.

Eine App simuliert den Look&Feel jetzt. Gut, was fehlt ist das glänzende Metallfinish auf der Rückseite des iPod-Geräts, und der schlecht eingepasste Knubbel in der Mitte steht auch nicht mehr minimal vor, aber ansonsten ist das Drehrad zurück und das Display wieder wieder LCD gestellt. Optisch.

Wir können nur inständig hoffen, dass hier die Entwicklung nicht zum Stillstand kommt und bald auch der Newton von Apple wieder auf einem iPhone simuliert werden kann. Was 26 Jahre alt ist, kann doch heute nicht so falsch sein. Dann haben wir den etwas über vierteljahrhundertalten Touchscreen mit Grünstich wieder glücklich in Händen und können so in der damals neuen, aber doch so unglaublich schlechten Schriftenerkennung schwelgen, der Maschine beim Denken zuschauen und uns daran erinnern, dass 386er noch auf Schreibtischen herumstanden und das Faxgerät gerade noch cutting edge war.

Oder noch besser: das iPhone simuliert einen Atari ST oder C64 oder Sinclair. Mal schauen, wie weit nach hinten wir liebgewonnene Urväter des portablen Computers erhalten. Je nachdem, was man als tragbar erachtet. Wenn dann weihnachtlich in Giftgrün der monochrome Bildschirm aufglimmt und nur ein A:\> Prompt aufblinkt, dann sind wir endlich wieder da, wo wir immer sein wollten. Im leicht beklemmenden Gefühl, dass die Maschine jetzt erst einmal denken muss, bevor sie einen Befehl ausführt, und wir in der Zwischenzeit ruhig einen Kaffee aufsetzen können.

Dann kehrt wieder Ruhe auf den Geräten ein. Geradezu vorweihnachtlich käme das einem heute vor. Nicht so hektisch mobile.