Seehofers Windenergiebremse
Bayerns Ministerpräsident will den anderen Bundesländern Regeln für den Ausbau der Windenergie vorschreiben, die diesen massiv behindern würden
Die Union hat sich offenbar gänzlich auf den Kampf gegen die Energiewende eingeschworen. Neueste Idee: Die Landesregierungen in München und Dresden haben eine Bundesratsinitiative gestartet, die einen bundesweiten Mindestabstand zwischen neuen Windkraftanlagen und Wohnhäusern einführen würde.
Bisher ist dies die Sache der Länder und wird durchaus unterschiedlich gehandhabt. Der Bundesverband Windenergie (BWE) verweist in einer Stellungnahme denn auch darauf, dass es eigentlich keinen vernünftigen Grund gibt, dies zu ändern. Man solle die Planungshoheit lieber wie bisher "den Kommunen und Regionalplanern überlassen, die an der Basis die Energiewende umsetzen und in ihren Plänen den Kompromiss zwischen Natur-, Landschafts- und Klimaschutz herstellen. Sie haben auch ein gutes Gespür für die vorhandene Akzeptanz vor Ort. Schließlich profitieren die Gemeinden auch von der Wertschöpfung und den Gewerbesteuereinnahmen durch Windparks vor Ort", meint BWE-Präsidentin Sylvia Pilarsky-Grosch.
Anders als der Vorstoß der beiden Freistaaten suggeriert, erfolgt der Bau neuer Windenergieanlagen keinesfalls regellos. Anwohner haben unter anderem durch das Bundesimmissionsschutzgesetz und die Technische Anweisung Luft einen Schutzanspruch vor Lärm, der laut BWE je nach Größe des Windparks zu erforderlichen Abständen zwischen Anlagen und Wohnbebauung von 500 bis 1.000 Metern führt.
In der Praxis sind zum Beispiel in Schleswig-Holstein in den vergangenen drei Jahren neue Windeignungsflächen auf der Ebene der Kommunen zwischen den verschiedenen Interessengruppen und auch Ortsteilen ausgehandelt worden. Das Ergebnis: 1,7 Prozent der Landesfläche wurden mit einer sehr hohen Akzeptanz in der örtlichen Bevölkerung ausgewiesen. Schon jetzt wird im Land zwischen den Meeren rund 58 Prozent des Stromverbrauchs durch die Windkraft gedeckt. Bis zum Jahr 2020 soll dieser Wert nach den Vorstellungen der Landesregierung auf 300 Prozent oder mehr anwachsen.
Daraus würde aber nichts werden, sollte der Bundesrat der Initiative aus Bayern und Sachsen folgen. Diese läuft auf einen Mindestabstand von 2000 Metern hinaus. Ähnliche Regelungen, so der BWE, haben in der Vergangenheit in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein den Bau neuer und an der Küste auch den Ersatz alter Windkraftanlagen lange Zeit stark behindert.
Die Erfolgsaussichten der Bundesratsinitiative sind allerdings aufgrund der rot-rot-grünen Mehrheit in der Länderkammer minimal. Wie schon bei der sogenannten Strompreisbremse des Bundesumweltministers handelt es sich wohl eher um einen Wahlkampf-Coup. Das sieht man auch beim BWE. Pilarsky-Grosch: "Die Windenergie, das Zugpferd der Energiewende, muss hier offensichtlich das Bauernopfer spielen. Die Energiewende in Deutschland und auch in Bayern ist ein Generationenprojekt. Jedes Hü und Hott schadet ihr massiv."
Nutznießer der Stimmungsmache gegen die Windenergie sind offensichtlich die großen Stromkonzerne. Denen entziehen Sonnen- und Windstrom inzwischen immer mehr Marktanteile, weshalb sie ein elementares Interesse daran haben, den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energieträger auszubremsen. 2012 hatten Letztere bereits 22,1 Prozent der Bruttostromproduktion also knapp 25 Prozent des Nettoverbrauchs gestellt.
Ob allerdings die ländliche Unions-Basis die Energiepolitik ihrer Parteispitzen goutiert, ist offen. In Schleswig-Holstein spült die Windenergie jährlich 35 Millionen Euro an Gewerbesteuer in die Gemeindekassen, ein Betrag, der sich mit dem weiteren Ausbau in etwa verdoppeln dürfte. In Nordfriesland, einem konservativ geprägten Kreis im äußersten Norden der Republik, sind die Beträge besonders hoch, denn in dieser Hochburg der Windenergie, wo der BWE allein 2400 Mitglieder hat, befinden sich fast 100 Prozent der Anlagen in der Hand von Genossenschaften und anderen lokalen Gesellschaften.