zurück zum Artikel

"Sogar die Einwanderer wollen nicht mehr mit ihnen leben"

Der Chef der französischen Linkspartei, Jean-Luc Mélenchon, hat genug vom "deutschen Modell"

Das deutsche Modell wird Frankreich nun schon seit vielen Monaten vorgehalten. Zuletzt wandte sich der deutsche Altklanzler Gerhard Schröder am Donnerstag via Financial Times [1] an Frankreich mit dem Tipp, "die deutschen Reformen zu kopieren, um wieder aufzublühen". Schröder ließ in seinem Beitrag verstehen, dass Frankreich jetzt ungefähr an dem Punkt angelangt sei, wo Deutschland vor zehn Jahren war. Um international wettbewerbsfähig zu sein, müssten Strukturreformen nun Priorität in Frankreich haben, doziert Schröder, der den regierenden Sozialdemokraten in Paris wohlmeinend auf die Schulter klopft. Aus eigener Erfahrung wüssten die Deutschen, dass es Jahre brauche, bis sich Effekte solcher Reformen in sichtbaren Erfolgen zeigen, aber: "Ich bin zuversichtlich, dass unsere Freunde entsprechend handeln werden."

Solche nachbarschaftliche Belehrungen hört Regierungschef Hollande seit dem Amtsantritt; eine ganze Zeit lang wurde Frankreich von der politischen B-Prominenz in Deutschland als "zweiter kranker Mann Europas" - nach Griechenland - ferndiagnostiziert [2], die ebenfalls körbevoll Ratschläge über den Rhein schickte. Das kommt nicht immer gut an. Während sich Teile der französischen konservativen Intelligenz Richtung Süden orientieren, an Italien und Spanien, lateinische Mentalitätsverwandte und an Mittelmeerbünde (vgl. Hassobjekt Deutschland [3], nutzen andere, wie der Europaabgeordnete Jean-Luc Mélenchon, Vorsitzender der Linkspartei Parti de Gauche (vgl. "Auf Krawall gebürstet" [4], die Vorlage, um im politischen Tagesgeschäft zu punkten.

Bei der sonntaglichen Radiodebatte mit Luc Chatel, einem Vertreter der konservativen UMP, mochte Mélenchon nichts mehr vom deutschen Modell hören; angesprochen auf die demografische Zukunft beider Länder sagte [5] er, dass "keiner, der sich für das Leben interessiert, Lust hat, Deutscher zu sein". Seine Begründung: Die Deutschen seien ärmer als der Durchschnitt, sie würden früher sterben, hätten keine Kinder und ihre Einwanderer würden "abhauen, weil sie keine Lust mehr haben, mit ihnen zu leben". (vgl. Deutschen wird am meisten vertraut, aber sie gelten in Europa auch als die Hartherzigsten und Arrogantesten [6])


URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-2004692

Links in diesem Artikel:
[1] http://www.ft.com/intl/cms/s/0/7254f576-cdca-11e2-a13e-00144feab7de.html
[2] http://www.heise.de/tp/artikel/38/38116/1.html
[3] http://www.heise.de/tp/artikel/39/39243/3.html
[4] http://www.dradio.de/dlf/sendungen/europaheute/2094729/
[5] http://www.lemonde.fr/politique/article/2013/06/09/personne-n-a-envie-d-etre-allemand-juge-jean-luc-melenchon_3426898_823448.html
[6] http://www.heise.de/tp/artikel/39/39135/1.html