Strompreis: "Verlogene Kostendebatte"
Die künftige Höhe der EEG-Umlage steht fest. Union will nun auch der Windkraft an den Kragen
Nun ist es also offiziell: Die Bundesnetzagentur hat am Freitag die neue Höhe der EEG-Umlage bekannt gegeben, die 2017 mit der Stromrechnung zu zahlen sein wird. Ab 1. Januar müssen Privatverbraucher und Kleingewerbe – industrielle Großverbraucher sind weitgehend ausgenommen – rund einen halben Cent pro Kilowattstunde mehr Umlage zahlen. Ob damit auch der Strompreis steigt, ist ungewiss, denn andere Kostenfaktoren sind rückläufig. Von 6,354 Cent pro Kilowattstunde steigt die Umlage auf 6,88 Cent.
Die Umlage hat ihren Namen vom Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Grundlage der Neuberechnung ist ein prognostizierter Anspruch auf Vergütung für Ökostrom in Höhe von 29,5 Milliarden Euro, schreibt die Agentur. Dem würden erwartete Einnahmen von 4,7 Milliarden Euro aus dem Verkauf des Stroms an der Börse gegenüber stehen. Die Differenz plus einem kleinen Puffer, der auf dem EEG-Konto für den Fall angespart wird, dass die Ausgaben für Vergütungen (und Verwaltung dieses kleinen bürokratischen Monsters) am Jahresende die Einnahmen überschritten haben könnten.
Die Übertragungsnetzbetreiber Amprion, 50Hertz, TransnetBW und Tennet schlüsseln in einer gemeinsamen Pressemitteilung die Umlage für die einzelnen Ökostromarten wie folgt auf: Etwa 2,6 Cent pro Kilowattstunde entfielen auf Fotovoltaik, rund 1,8 Cent auf Biomasse-Strom, etwa 1,5 Cent auf Windstrom an Land und etwa 0,9 Cent pro Kilowattstunde auf Windstrom aus Offshore-Anlagen.
Die Diskrepanz zwischen der Einnahmen und der Ausgabenseite ist vor allem deshalb so hoch, weil der Strom an der Börse so billig ist. Wenig mehr als drei Cent pro Kilowattstunde ist in Leipzig inzwischen zu erzielen. Da aber der Ökostrom dort vermarktet werden muss, wenn der Erzeuger in den Genuss der durchs EEG festgelegten Vergütung kommen will, ist die Umlage entsprechend hoch.
Gedrückt wird der Leipziger Preis seit längerem durch ein Überangebot an Strom, das sich – sofern der politische Wille vorhanden wäre – auf verschiedene Weise drücken ließe. Man könnte zum Beispiel die letzten Atomkraftwerke vorzeitig vom Netz nehmen. Die zur Zeit kaum genutzten Gaskraftwerke wären zusammen mit den Wind, Sonne & Co. schon seit längerem in der Lage, deren Lücke sofort auszufüllen.
Man könnte auch dafür sorgen, dass die Kohlekraftwerke nach und nach – die ältesten und ineffizientesten zuerst – vom Markt gehen. Das könnte über einen Ausstiegsplan geschehen oder auch durch eine Verteuerung der CO2-Emissionen. Auch eine Mischung aus beiden wäre denkbar.
Aus der oben verlinkten Pressemitteilung der Übertragungsnetzbetreiber geht hervor, dass derzeit auf ein knappes Viertel des Stromverbrauchs der Endabnehmer keine Umlage gezahlt wird. Auch der nicht unerhebliche Eigenverbrauch der Kohle- und Atomkraftwerke sowie die Eigenerzeugung in Industriebetrieben ist befreit, während der Eigenverbrauch von Besitzern neu installierter Solaranlagen zum Beispiel mit Abgaben belegt wird.
Ein Hintergrundpapier des Bundesverbandes Erneuerbare Energie spricht davon, dass 2016 mehr als 2100 Unternehmen mit einem geschätzten Jahresverbrauch von 107 Milliarden Kilowattstunden keine oder nur eine erheblich verminderte Umlage zahlen. Der befreite industrielle Eigenverbrauch wird auf weitere 50 Milliarden Kilowattstunden geschätzt. Den Unternehmen würden damit 2017 Kosten in Höhe von 7,7 Milliarden Euro erspart, die private Verbraucher sowie Handel und Gewerbe zu tragen haben.
Zum Schluss noch ein paar Stimmen zur EEG-Umlage: Die Linke findet die "Kostendebatte verlogen", die Grünen halten wie die Linken Kohlestrom und Industrieprivilegien für das Problem und die Union meint, die "Stromkosten dürfen nicht außer Kontrolle geraten". Dabei hat sie allerdings ausschließlich die EEG-Umlage im Auge. Die anderen Preiskomponenten - siehe Grafik - scheinen für sie keine Rolle zu spielen. Man habe schon immer vor dem "übermäßigen Windausbau" gewarnt. Womit noch einmal betont wäre, dass es nach der Solarenergie nun auch der Windkraft an den Kragen gehen soll.
Windkraft an Land, die der Union so ein Dorn im Auge ist, ist übrigens mit Abstand die billigste Form der erneuerbaren Energieträger. Für Strom aus 2016 neu errichteten Anlagen gibt es in den ersten fünf Jahren 8,41 Cent pro Kilowattstunde und in den anschließenden 15 Jahren 4,58 Cent. (Hier eine Liste der Vergütungssätze.) Letzteres liegt schon unter dem derzeit in Frankreich bezahlten Börsenstrompreis. Dort hat man nämlich gerade ein paar Problemchen mit "billigem Atomstrom".