"Tag des Zorns" in Russland

Die Protestaktion der Opposition war kein Massenprotest, dennoch wächst der Unmut über die russische Regierung und nimmt die Protestbereitschaft zu

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Mit Nervosität erwartete die russische Regierung den vergangenen Samstag, den das Oppositionsbündnis Solidarnost zum "Den Gnewa", den Tag des Zorns, ausrief. Landesweit sollten an diesem 20. März Demonstrationen stattfinden, um den Unmut über die Regierung von Wladimir Putin zu äußern. Nach der Demonstration von Kaliningrad, bei der am 30. Januar 10.000 bis 12.000 Menschen den Rücktritt des Kaliningraders Gouverneurs Georgij Boos sowie den von Wladimir Putin und seiner Minister verlangten, war dies keine Ankündigung, die das politische Moskau auf die leichte Schulter nahm.

Doch die russische Regierung konnte an diesem Wochenende aufatmen. Es fanden zwar in 50 Städten des Landes Proteste statt, die Zahl der Demonstrationsteilnehmer blieb jedoch weit unter den Erwartungen der Solidarnost, auch wenn sich deren Angaben von denen der Sicherheitsbehörden unterscheiden. So zählte die Solidarnost in Astrachan 500 Demonstranten, während staatliche Stellen von 300 berichten. In Irkutsk sollen nach Angaben der Oppositionsbewegung 1.500 bis 3.000 Menschen auf die Straße gegangen sein, die Sicherheitsbehörden zählten aber nur 400-500 Demonstranten. Übereinstimmend sind nur die Angaben aus drei Städten. In Barnaul protestierten 500 Bürger, in Kasan 300 und in Nischni Nowgorod ein überschaubares Grüppchen von 5 Demonstranten.

Trotz der mehrheitlich unterschiedlichen Angaben kann die Solidarnost den "Den Gnewa" nicht als einen Erfolg bezeichnen. Der als Massenprotest angekündigte Tag des Zorns entwickelte sich in vielen Städten, wie in der 311.000 Einwohnerstadt Murmansk, wo nach Angaben der Solidarnost nur 20 Menschen demonstrierten, zu einem Happening der örtlichen Solidarnost-Gruppierung. Eine Ausnahme bildeten da lediglich die Demonstrationen in Sankt Petersburg, wo 1.000 Menschen dem Aufruf der Opposition folgten, Kaliningrad mit 5.000 Demonstranten und Wladiwostok, wo 1.500 bis 2.000 Menschen auf die Straße gingen.

Die hohe Teilnehmerzahl in Wladiwostok und Kaliningrad ist nicht besonders überraschend. Gerade diese beiden Städte leiden unter der Wirtschaftskrise, und die Maßnahmen Moskaus haben die Situation in den beiden Städten noch mehr verschärft. Vor allem die Erhöhung der Einfuhrzölle für ausländische Gebrauchtwagen hat viele Einwohner der beiden Städte um eine wichtige Einnahmequelle gebracht. So war Wladiwostok bis 2008 ein wichtiges Drehkreuz für japanische und koreanische Gebrauchtwagen, die von dort aus in das Landesinnere verkauft wurden. Und wie erträglich der Handel war, zeigt allein ein Spaziergang durch westsibirische Städte. In Nowosibirsk oder Tomsk sind japanische Autos, bei denen das Lenkrad auf der linken Seite ist, keine Seltenheit.

Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass in Wladiwostok und Kaliningrad die Forderungen nach der Abschaffung des Einfuhrzolls besonders laut zu hören waren. Ein Anliegen, das vor allem die Bürger in der westlichen Enklave an diesem Wochenende loswerden wollten. Auf Druck der Sicherheitsbehörden sagte die Kaliningrader Solidarnost ihre Kundgebung ab. Dennoch versammelten sich am Samstag 5.000 Kaliningrader, um gegen die Politik der Moskauer Regierung zu protestieren.

Trotz der allgemeinen geringen Resonanz auf den Tag des Zorns, was die russische Presse dementsprechend kommentierte, muss man dennoch feststellen, dass der Unmut über die aktuelle Politik wächst. Wie Umfragen des bekannten Levada-Zentrums zeigen, steigt die Bereitschaft der Russen zur Teilnahme an Protestaktionen, auch wenn dies nur langsam geschieht.

Ein anderer Hinweis für die wachsende Unzufriedenheit der Russen sind die Ergebnisse der Regionalwahlen, die am 12. März in acht Regionen stattfanden. Die Putin-Partei Einiges Russland hat diese zwar gewonnen, doch die Ergebnisse fielen schlechter aus, als in den Jahren zuvor. Was dazu führte, dass es in manchen Regionen zu personellen Veränderungen innerhalb der Partei kam.