Timoschenko will das Ergebnis der Wahlen anfechten

Bei der Stichwahl siegte Viktor Janukowitsch über Julia Timoschenko, aber die andauernde Krise des Landes dürfte erst einmal weiter gehen

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Dass ihr nur noch eine höhere Macht helfen kann, schien Julia Timoschenko in den letzten Tagen des ukrainischen Präsidentschaftswahlkampfs wohl schon geahnt zu haben. Am Freitag, bei der Abschlusskundgebung vor der Kiewer Sophien-Kathedrale, betete sie mit ihren Parteifreunden und Anhängern für die Einheit der Ukraine. Und am Sonntag, kurz bevor sie in ihrer Heimatstadt Dnjepropetrowsk ihren Stimmzettel in die Wahlurne warf, bekreuzigte sich die Ministerpräsidentin medienwirksam vor den dort versammelten Journalisten.

Doch der neuerdings so frommen Julia Timoschenko nutzten die Gebete der letzten Tage nicht viel. Nachdem sie schon beim ersten Wahlgang am 17. Januar ihrem Widersacher Viktor Janukowitsch unterlag, musste sie sich auch bei der entscheidenden Stichwahl am letzten Sonntag dem Vorsitzenden der Partei der Regionen geschlagen geben. Wie die Zentrale Wahlkommission der Ukraine bekannt gab, erreichte bei einer Wahlbeteiligung von 69.15 Prozent Viktor Janukowitsch 48.9 Prozent, während für Julia Timoschenko 45.4 Prozent der Wähler stimmten. 4.3 Prozent der Wähler nutzten eine Besonderheit im ukrainischen Wahlgesetz aus und sprachen sich gegen beide Kandidaten aus.

Mit diesem offiziellen Ergebnis bestätigte sich das, was am Sonntag bereits die ersten Hochrechnungen vorhergesagt haben, nämlich einen Sieg für Janukowitsch. Dabei hat Julia Timoschenko, die im ersten Wahlgang 25 Prozent der Stimmen bekam, in den letzten drei Wochen alles getan, um den Sieg des Ostukrainers Janukowitsch zu verhindern. Bei ihren Veranstaltungen warnte sie vor der "Donezker Mafia", stilisierte sich als Mutter der Nation und machte den unterlegenen Kandidaten aus dem ersten Wahlgang politische Angebote.

Enttäuscht von den Orangenen Revolutionären

Die Enttäuschung über die chaotische Politik und die nicht eingelösten Versprechen der Orangenen Revolutionäre sind der entscheidende Grund für die Niederlage Timoschenkos. Und dafür ist die Ministerpräsidentin, die seit 2007 im Amt ist, mit verantwortlich. Deutlich wird dies, wenn man sich die Wahlbeteiligung in den einzelnen Regionen anschaut. In den westlichen Gebieten der Ukraine, den Hochburgen der Orangenen, hat Timoschenko zwar immer noch mehr Stimmen bekommen als ihr Konkurrent Janukowitsch, dafür war dort die Wahlbeteiligung niedriger als in der Ostukraine. Ein klares Indiz dafür, dass viele Ukrainer, die im Winter 2004 die Orangenen Revolutionäre unterstützt haben, bei dem diesjährigen Urnengang nicht zu Wahl gingen.

Ganz anders sieht es dagegen bei Viktor Janukowitsch aus, der auch im zweiten Wahlgang seine Anhänger mobilisieren konnte. Ob der Wahlsieg des Politikers, der 2004 nur durch Wahlfälschungen den ersten Wahlgang für sich entscheiden konnte, auch das Ende der seit Jahren andauernden Krise in der Ukraine bedeutet, muss jedoch abgewartet werden. Julia Timoschenko ist immer noch Regierungschefin, die durch das überraschend knappe Wahlergebnis trotz Niederlage gestärkt wurde. Und sollte sich in der Werchowna Rada nicht bald eine neue Regierungskoalition zusammenfinden, um die sich die Partei der Regionen bemüht, dürften sich auch in den nächsten Jahren, falls es nicht zu vorzeitigen Parlamentswahlen kommen sollte, die Ministerpräsidentin und der Präsident gegenseitig blockieren.

Und dass dies nicht unwahrscheinlich ist, zeigte sich bereits am Montag. Eine offizielle Pressekonferenz, die um 12 Uhr stattfinden sollte, sagte die 49-jährige Regierungschefin ab. Und auch am Dienstag gab Julia Timoschenko keine Stellungnahme zu der Wahl ab. Stattdessen sind anscheinend innerhalb ihrer Partei, des Blocks Julia Timoschenko, einige heftige Worte gefallen, die auf Meinungsverschiedenheiten bezüglich der Anerkennung des Wahlergebnisses zurückzuführen sind. Während am Montagvormittag Mykola Tomenko, Vizeparlamentssprecher und eine der führenden Personen innerhalb des BJuT, noch erklärte, dass die Partei bereit sei die Wahlniederlage anzuerkennen und in die Opposition zu gehen, waren am Abend schon andere Stimmen in Kiew zu hören. Auch wenn Beobachter der OSZE bei den Wahlen vom Sonntag keine Unregelmäßigkeiten bemerkten und diese gar als einen Sieg für die Ukraine bezeichneten, warf der Block Julia Timoschenko dem Wahlsieger und seiner Partei Wahlfälschung vor. In den Oblasten Donezk, Lugansk und auf der Krim sollen, wie BJuT-Vertreter behaupteten, mindestens eine Million Stimmzettel gefälscht worden sein.

Nicht überraschend war deshalb schon die Nachricht der Ukrainska Pravda vom Montagabend. Nach Informationen der Internetzeitung will Julia Timoschenko das Wahlergebnis nicht anerkennen und es vor Gericht anfechten. "Ich werde niemals den Sieg Janukowitsch’ bei solchen Wahlen anerkennen", soll Timoschenko nach Angaben der Ukrainska Pravda auf einer Fraktionssitzung des BJuT am Montagabend gesagt haben.