US-dominierte OAS sabotiert Initiative für politische Lösung in Venezuela
Generalsekretär Luis Almagro beantragt Strafmaßnahmen gegen Caracas, Opposition kündigt Dialog unter Führung der Regionalorganisation Unasur auf
Der Generalsekretär der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), Luis Almagro, hat am Dienstag Maßnahmen gegen Venezuela auf Basis der sogenannten Demokratie-Charta der Organisation eingeleitet. Damit spitzt sich die Auseinandersetzung zwischen der US-dominierten Regionalorganisation und der sozialistischen Regierung in Caracas weiter zu. Seit der Übernahme des OAS-Vorsitzes vor gut einem Jahr hatte es mehrfach schwere Auseinandersetzungen zwischen dem ehemaligen Außenminister von Uruguay und Venezuela gegeben.
Almagro hat nun einen 132 Seiten fassenden Bericht zur Lage in Venezuela vorgelegt, das von einer schweren Wirtschaftskrise und innenpolitischen Auseinandersetzungen zwischen Anhängern von Regierung und Opposition erschüttert wird. Almagro bezieht sich in seinem Bericht auf diese Situation und greift maßgeblich die Vorwürfe der Opposition gegen Venezuelas Präsidenten Nicolás Maduro auf.
Unter Bezug auf Artikel 20 der Interamerikanischen Demokratie-Charta beantragte er zugleich "eine Sitzung des Permanenten Rates der Mitgliedsstaaten zwischen dem 10. und dem 20. Juni 2016". Dabei solle es darum gehen, "die Unterwanderung der verfassungsmäßigen Ordnung" in Venezuela zu diskutieren. Er stützt sich bei diesem Urteil auf Aussagen der oppositionell dominierten Nationalversammlung Venezuelas und auf eigene Rückschlüsse.
Maßnahmen auf Basis der Interamerikanischen Demokratie-Charta der OAS können ergriffen werden, wenn in einem Mitgliedsstaat die demokratische Ordnung erschüttert wird. Bislang war die US-nahe OAS – aus der Kuba seit dem Höhepunkt des Kalten Krieges in den 1960er Jahren als einziges Land der Region ausgeschlossen ist – aber äußerst zurückhaltend. Strafmaßnahmen wurden von der OAS weder gegen die blutigen Militärdiktaturen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ergriffen, noch wurde die Interamerikanische Demokratie-Charta seit ihrer Verabschiedung 2001 in Fall der Putsche oder Putschversuche in Venezuela 2002, Paraguay 2012 oder Brasilien 2016 angewandt.
Um konkrete Maßnahmen zu beschließen, muss zwei Drittel der OAS-Mitgliedsstaaten der Entscheidung Almagros zustimmen, das entspricht 20 Stimmen. (In einer früheren Version des Textes hieß es, ein Drittel der OAS-Mitgliedsstaaten müssten der Entscheidung Almagros zustimmen. Tatsächlich sind es zwei Drittel.) Bislang ist unklar, ob diese Mehrheit zustande kommt. Selbst die Außenministerin der konservativen und neoliberalen Regierung in Argentinien, Susana Malcorra, bezeichnete Almagros Entscheidung am Dienstag als "übereilt".
Mit der Initiative Almagros wird zugleich ein Vorstoß einer anderen Regionalorganisation massiv behindert: Die Union südamerikanischer Nationen (Unasur) hatte die beiden venezolanischen Konfliktparteien in Santo Domingo in der Dominikanischen Republik zum Dialog geladen. Am Montag erteilte der venezolanische Oppositionspolitiker und zweifach gescheiterte Präsidentschaftskandidat, Henrique Capriles, den Gesprächen eine Absage. Als Grund führte er an, dass die Regierung Maduro ein Delegationsmitglied der Opposition abgelehnt hatte.
Carlos Vecchio, der am Verhandlungstisch sitzen sollte, wird von der Justiz des südamerikanischen Landes für blutige Proteste Anfang 2014 verantwortlich gemacht. Damals waren mindestens 40 Menschen ums Leben gekommen, die meisten waren Unbeteiligte, Regierungsanhänger oder Angehörige der Sicherheitskräfte. Vecchio war nach der Anklageerhebung außer Landes geflohen.