Ukraine: Auf der Suche nach einer neuen Regierung
Julia Timoschenko muss gehen, ob es dem neuen Präsidenten Janukowitsch gelingt, eine Regierungskoalition zu bilden, ist weiterhin fraglich
Vergangene gab sich Julia Timoschenko noch kämpferisch. In einer Fernsehansprache forderte die Regierungschefin die "demokratischen Kräfte" des Landes auf, gemeinsam mit ihr die "antiukrainische Diktatur" des im zweiten Wahlgang zum Präsidenten gewählten Viktor Janukowitsch zu verhindern.
Doch wie sich diese Woche zeigte, erwiesen sich die Schmeicheleien Timoschenkos an ihre bisherigen Koalitionspartner Unsere Ukraine und den Block Lytwyn als ergebnislos. Am Dienstag erklärte Parlamentspräsident Wolodomyr Lytwyn nach einer Sitzung der Fraktionsvorsitzenden das Ende der bisherigen Regierungskoalition. Einer Regierungskoalition, die seit Herbst 2008 aufgrund der ständigen Kämpfe zwischen dem Block Julia Timoschenko und der Juschtschenko-nahen Partei Unsere Ukraine eh nur noch pro forma bestand.
Das endgültige Ende für die Ministerpräsidentin Julia Timoschenko kam jedoch am Mittwoch. Von den 450 Abgeordneten der Werchowna Rada sprachen 243 Parlamentarier der Regierung Timoschenko ihr Misstrauen aus, darunter 19 Abgeordnete aus ihrer bisherigen Regierungskoalition, die aus 226 Sitzen bestand.
Am meisten gekränkt zeigte sich Julia Timoschenko, die schon nach ihrer Wahlniederlage gegen Viktor Janukowitsch wenig Größe bewies. Kurz nachdem das Parlament ihr und ihrer Regierung das Misstrauen aussprach, trat die einstige Heldin der Orangenen Revolution von ihrem Amt zurück und begab sich in den Urlaub. Dabei müsste Timoschenko laut der ukrainischen Verfassung die Amtsgeschäfte bis zur Bildung einer neuen Regierungskoalition kommissarisch weiterführen. Nun wird der bisherige Vize-Premierminister Oleksandr Turtschinow diese Aufgabe übernehmen.
Ob der Sturz der Regierung Timoschenko auch das Ende der permanenten politischen Krise bedeutet, die das Land seit Jahren lähmt, ist jedoch offen. Timoschenko kann als Premierministerin zwar nicht mehr die Politik des neuen Präsidenten Janukowitsch blockieren, was viele Experten befürchteten, doch ob es gelingt, eine neue Regierungskoalition zu bilden, ist bis jetzt ungewiss. Was vor allem an der Parlamentsfraktion von Unsere Ukraine liegt, die für eine stabile Regierungsmehrheit notwendig ist. Ein Teil der Juschtschenko-nahen Politiker weigert sich bisher, eine Koalition mit der Partei der Regionen von Janukowitscheinzugehen, trotz dem Interesse der Parteiführung und der schlechten Erfahrungen mit Timoschenko.
Dabei wäre eine baldige Regierungsbildung, die laut Verfassung innerhalb von 30 Tagen nach dem Sturz der Regierung stattfinden muss, durchaus zum Wohle der Partei. Bei vorgezogenen Parlamentswahlen läuft Unsere Ukraine nämlich Gefahr, ebenso wie der Block Lytwyn und die Kommunisten, die in der Ukraine notwendige 3-Prozent-Hürde nicht zu überspringen. Gewinner der Neuwahlen könnten stattdessen die Gruppierungen des Multimillionärs Serhij Tihipko und des ehemaligen Parlamentspräsidenten und Außenministers Arsenij Jazenjuk werden, die im ersten Wahlgang der Präsidentschaftswahlen Janukowitsch und Timoschenko unterlagen.
Unter diesen Umständen ist es nicht verwunderlich, dass sich in der Ukraine das Personalkarussell heftig dreht. So werden der Janukowitsch-Vertraute Nikojal Asarow und Arsenij Jazenjuk als mögliche neue Premierminister gehandelt. Überraschend ist auch ein weiterer Name, der mit dem Amt des Regierungschefs in Verbindung gebracht wird: Der im ersten Wahlgang der Präsidentschaftswahlen unterlegene Ex-Amtsinhaber Viktor Juschtschenko.