Ukraine: Timoschenko kämpft weiter

Wenn das Parlament der noch amtierenden Regierungschefin nicht das Misstrauen ausspricht, will sie eine Wiederbelebung der alten Orangenen Koalition versuchen

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"Ich werde niemals den Sieg Janukowitsch' bei solchen Wahlen anerkennen", sagte Julia Timoschenko einen Tag nach ihrer Niederlage bei den ukrainischen Präsidentschaftswahlen im Kreise ihrer Parteifreunde. Eine Ankündigung, die die ukrainische Regierungschefin schon bald in die Tat umzusetzen versuchte. Obwohl Beobachter der OSZE nichts an dem Ablauf der am 7. Februar stattgefundenen Wahlen zu bemängeln hatten, kündigte Timoschenko an, das Endergebnis juristisch anfechten zu wollen. Vor allem in der Ostukraine sollen nach Angaben des Blocks Julia Timoschenko (BJuT) massiv Stimmzettel manipuliert worden sein.

Die Beweise für diese angeblichen Wahlfälschungen legte Timoschenko am vergangenen Dienstag dem Obersten Verwaltungsgericht in Kiew vor. Und einen Tag später konnte die einstige Orangene Revolutionärin bereits ihren ersten juristischen Teilerfolg feiern. Bis zur endgültigen Prüfung der Klage setzte das Oberste Verwaltungsgericht das Ergebnis der Zentralen Wahlkommission außer Kraft. Einer Verschiebung der am 25. Februar stattfindenden Amtseinführung Viktor Janukowitsch', die Timoschenko ebenfalls verlangte, wollten die Richter jedoch nicht zustimmen, da Janukowitsch nicht der Beklagte sei, wie das Gericht erklärte.

Aus diesem Grund versuchte der Block Julia Timoschenko, die Vereidigung des Wahlsiegers Janukowitsch auch in der Werchowna Rada zu verhindern. "Solange das Gericht keine Entscheidung getroffen hat, kann es nicht irgendwelche Amtseinführungen und Vereidigungen geben", sagte am vergangenen Dienstag der BJuT-Politiker und Vize-Premierminister Alexander Turtschynow zur Begründung. Eine Argumentation, die am nächsten Tag im ukrainischen Parlament jedoch keine Mehrheit fand.

Und ebenso wenig, wie die Werchowna Rada bereit war, die Amtseinführung von Janukowitsch zu verhindern, war das Oberste Verwaltungsgericht gewillt, der Klage Timoschenkos Recht zu geben. Das behauptet jedenfalls Timoschenko selber, die am Samstag ihre Klage überraschend zurücknahm. "Es macht keinen Sinn, die Klage weiter prüfen zu lassen", die Premierministerin, nachdem am Vortag das Gericht die Anhörung von Zeugen und die Neuauszählung in einigen Wahlkreisen ablehnte.

Zu dieser Entscheidung dürfte Julia Timoschenko aber nicht nur die Arbeit des Obersten Verwaltungsgerichts bewogen haben, sondern auch die Entwicklung innerhalb des ukrainischen Parlaments. Bereits nach dem für Janukowitsch siegreichen zweiten Wahlgang erklärte seine Partei der Regionen, dass sie sich um eine neue Regierungskoalition bemüht. Und wie Viktor Janukowitsch am Sonntag in einem TV-Interview sagte, soll diese neue "Koalition der Stabilität und Reformen", wie der zukünftige Präsident die neue Mehrheit bezeichnete, spätestens nächste Woche vorgestellt werden.

Ob es der Partei der Regionen aber tatsächlich gelingt, Julia Timoschenko als Premierministerin zu stürzen, ist jedoch fraglich. Die seit der Präsidentschaftswahl unternommenen Versuche eine Koalitionsbildung waren bisher nicht vom Erfolg gekrönt. Und dies könnte daran liegen, dass einige Beobachter und Parlamentsabgeordnete eine Wiederbelebung der alten Orangenen Koalition für möglich halten.

In diese, eigentlich schon gescheiterte Regierungsmehrheit scheint auch Julia Timoschenko ihre Hoffnung zu setzen. In einer Fernsehansprache appellierte die Premierministerin an ihre einstigen Koalitionäre von der Juschtschenko-Partei Unsere Ukraine und dem Block Lytwyn, die bisherigen Streitigkeiten beizulegen, "um die Errichtung einer antiukrainischen Diktatur" durch Viktor Janukowitsch zu verhindern.

Ob dies Julia Timoschenko gelingen wird, könnte schon der morgige Mittwoch zeigen. In einer außerordentlichen Parlamentssitzung, die von ihrer Partei am Montag einberufen wurde, soll die Werchowna Rada über die Zukunft der jetzigen Regierung entscheiden. Für den Fall, dass das Parlament der Regierungschefin ihr Misstrauen aussprechen und die Partei der Regionen eine neue Mehrheit präsentieren sollte, kündigte Timoschenko in ihrer Fernsehansprache den Gang in die Opposition an, in der sie ihren Kampf für eine "freie, starke, gerechte, blühende und schöne Ukraine" fortsetzen will.