Verkehrswende: Proteste in rund 70 Städten
An diesem Wochenende gingen im ganzen Bundesgebiet Zehntausende auf die Straße, um eine andere Verkehrspolitik zu fordern
An diesem Wochenende wird im ganzen Land gegen den Bau weiterer Autobahnen und für eine andere Verkehrspolitik demonstriert. An mehr als 70 Orten gab oder gibt es Aktionen, heißt es beim globalisierungskritischen Netzwerk ATTAC. Das Motiv: Die bisherige Verkehrspolitik sei allein am Auto ausgerichtet und zudem klimaschädlich und sozial ungerecht, meint Detlev Wöske vom Bündnis Mobilitätswende Düsseldorf.
"Wir haben ein Grundrecht auf Klimaschutz – doch die Bundesregierung ignoriert das seit Jahren. Mit tausenden Menschen kämpfen wir heute in ganz Deutschland gegen die Auto-Politik der Bundesregierung. Überall machen junge Menschen klar: Damit wir die 1,5 Grad-Grenze noch einhalten können, brauchen wir eine radikale Mobilitätswende, mehr Radwege, Busse und Bahnen - und deutlich weniger Autos!"
Lilly Claudi, Fridays for Future
Zu den Organisatoren der Proteste gehören neben Fridays for Future und dem bundesweiten Netzwerk Sand im Getriebe zahlreiche örtliche Gruppen. Von Fehmarn bis nach Oberstdorf gab es Fahrraddemos, Sitzblockaden und andere Aktionen. Unter anderem in Kassel, an der Trasse der geplanten A14-Verlängerung in Sachsen-Anhalt, in Marburg, in Wolfsburg, wo es um den Bau der A39 geht, in Oldenburg wo die A20 aus dem südöstlichen Schleswig-Holstein kommend und die Elbe flussabwärts von Hamburg überquerend enden soll, in Bremen und in Dortmund, wo sich nach Angaben der Veranstalter über 3.000 sich aufs Rad schwangen.
Hier gibt es einen Überblick über alle geplanten Aktionen. Unter anderem in Darmstadt und in Dresden waren noch Proteste für den heutigen Nachmittag geplant.
In Berlin gab es am gestrigen Samstag ebenfalls eine Fahrraddemonstration und eine Sitzblockade auf einer Baustelle. Dort wird bereits seit einigen Jahren an der Verlängerung der Stadtautobahn A100 gebaut. Für 560 Millionen Euro (oder auch noch mehr) werden dort derzeit weniger als vier Kilometer Autobahn gebaut, um den Pkw- und Lkw-Verkehr in ein paar Jahren in einem gigantischen Stau inmitten eines ohnehin schon stark belasteten Wohngebiets zu führen.
"Wir sitzen heute mit Hunderten Menschen auf der Baustelle der A100 und sorgen mit unseren Körpern selbst für den sofortigen Autobahn-Baustopp. Denn jedes Stück neue Autobahn bringt uns mehr Autos, mehr CO2, mehr Klima-Zerstörung. Die Regierung kümmert sich nur um die Profite der Auto-Konzerne und macht unsere Zukunft kaputt. Gegen den zerstörerischen Autobahn-Irrsinn leisten wir deshalb heute zivilen Ungehorsam und sorgen selbst für Klimagerechtigkeit."
Lou Winters, Pressesprecherin von Sand im Getriebe
Mancherorts kam es zum rabiaten Vorgehen der Polizei gegen die Proteste wie in Sachsen-Anhalt. In Berlin beklagten sich Protestierende sowie Vertreter der Journalistinnen und Journalisten über massive Behinderung der Pressefreiheit.
"Zwölf Journalist*innen wurde von der Polizei teilweise eingekesselt, in Gewahrsam genommen und erhielten Anzeigen wegen Hausfriedensbruchs und Platzverweise. Ein Kollege wurde sogar körperlich durchsucht. Es ist einfach ein Unding, dass unsere Kolleg*innen, die allein schon durch ihr Kamera-Equipment als Pressevertreter erkennbar und zehn mit dem von der Innenministerkonferenz (IMK) legitimiertem bundeseinheitlichen Presseausweis unterwegs waren, mit solchen Mitteln an der Ausübung ihres Berufs gehindert wurden. Das Gelände an der Sonnenallee war frei zugänglich. Weitere Journalist*innen wurde später von der Polizei dann noch am Zugang und der Berichterstattung gehindert. Alles eine klare Behinderung der Pressefreiheit!“
Renate Gensch, Landesvorsitzende der Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju), ver.di Berlin-Brandenburg
Die Polizei hatte unter anderem gegenüber der Berliner Tageszeitung Tagesspiegel behauptet, die Journalistinnen und Journalisten seien nicht als solch erkennbar gewesen. Dem widerspricht ein Betroffener auf Twitter. Er und seine Kolleginnen und Kollegen hätten sich mehrfach als Journalisten ausgewiesen und Presseausweise offen getragen.
In einem Tweet spricht zudem die Berliner Polizei selbst davon, dass sich 13 der angezeigten Personen als Journalistinnen und Journalisten ausgewiesen hätten. Auf einigen Bildern von Festnahmen ist schließlich auch zu sehen, dass Abgeführte auch an ihrer Fotoausrüstung unschwer als Journalisten zu erkennen gewesen wären.
"Besonders abenteuerlich und peinlich für die Polizei ist, dass auch unser dju-Landesgeschäftsführer Jörg Reichel ebenfalls in Gewahrsam genommen wurde, er auch eine Anzeige und einen Platzverweis erhielt. Er war vor Ort, um als Bindeglied zwischen Journalist*innen und Polizei die Pressefreiheit zu gewährleisten und zu vermitteln."
Renate Gensch