Vögel haben keine Vorliebe für Naturkost
Britische Forscher wiesen nach, dass Spatzen und Rotkehlchen lieber die proteinreicheren Körner aus dem traditionellen Anbau mit Kunstdünger fressen
Biologisch angebaute Lebensmittel sind „natürlicher“ und gelten als gesünder. Das Geschäft mit Bioprodukten boomt weltweit – trotz der deutlich höheren Preise. Befürworter solcher Nahrungsmittel rechtfertigen diese höheren Preise unter anderem damit, dass angeblich auch Vögel und Säugetiere die "besseren" Bio-Produkte instinktiv bevorzugen würden. Zumindest bei Vögeln ist dies jedoch, wie Wissenschaftler, von der Newcastle University jetzt herausfanden, nicht der Fall: Sie verschmähen Bio-Körner und bevorzugen klar solche aus konventionellem Anbau.
Für die im Journal of the Science of Food and Agriculture erschienene Studie hatte das Team um die Biologin Ailsa McKenzie sechs Wochen lang Spatzen, Rotkehlchen und andere freilebende Vögel in 30 britischen Gärten mit jeweils zwei Futterplätzen gelockt. Der eine Futterplatz enthielt ausschließlich Weizenkörner aus konventionellem, der andere nur solche aus biologischem Anbau. Die Sorte war in beiden Fällen die selbe. Bei der Beobachtung stellte sich heraus, dass die Vögel 20 Prozent mehr vom Weizen aus konventionellem Anbau fraßen. Externe Faktoren wie die Sichtbarkeit des Futterplatzes für Raubvögel hatten die Wissenschaftler dadurch ausgeschlossen, dass sie nach drei Wochen die Inhalte der Lockvorrichtungen austauschten. Eine Wiederholung des Versuchs im Winter darauf und mit einer anderen Weizensorte bestätigte das Ergebnis. Und auch in einer Laborstudie, die das Team mit gefangenen Kanarienvögeln durchführte, mochten die Tiere die vermeintlich bessere Bionahrung deutlich weniger gern.
Als wahrscheinlichste Ursache des beobachteten Effekts nennen die Wissenschaftler Unterschiede im Proteingehalt der Körner: Die auf herkömmliche Weise gezüchteten enthielten nämlich aufgrund des Einsatzes industriell hergestellter Stickstoffverbindungen (die effektiver düngen als Mist) im Durchschnitt etwa 10 Prozent mehr Proteine, auch wenn sie gleich groß waren. Und mehr Eiweiß bedeutet für die Vögel einen potenziellen Überlebensvorteil. Der könnte langfristig zwar auch in der Abwesenheit kleinerer Mengen von Schadstoffen gegeben sein, die Bio-Körner ihren herkömmlichen Äquivalenten voraus haben – aber es fehlt den Vögeln möglicherweise an der sensorischen Ausstattung, mit der sie diesen Unterschied erkennen könnten. Darüber hinaus haben die Tiere nur eine begrenzte Lebensdauer, so dass es überlebensstrategisch wenig sinnvoll wäre, dem abstrakten Gesundheitsvorteil der geringeren Giftstoffbelastung (der sich – wenn überhaupt – vielleicht erst in Jahrzehnten auswirkt) den Vorzug vor der relativ unmittelbaren Nützlichkeit eines höheren Proteinanteils zu geben.