Wahlkampf im Minenfeld der Fettnäpfchen

Topolanek, Parteichef der konservativen ODS, machte aus seiner Meinung über Schwule, Juden, Kirchgänger und Durchschnittstschechen kein Geheimnis

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Mirek Topolanek möchte seine konservative ODS bei den im Mai stattfindenden Parlamentswahlen zum Sieg führen. Dies aber nicht nur zum Wohle der Partei, sondern auch aus Eigeninteresse. Für den Vorsitzenden der ODS wäre es die einzige Möglichkeit, wieder in den Sessel des Ministerpräsidenten zurückzukehren, von dem er im Mai vergangenen Jahres gestürzt wurde.

So ist es nicht erstaunlich, dass Topolanek seit Wochen jede Gelegenheit nutzt, um sich im Wahlkampf von seiner besten Seite darzustellen. Und eine solche Möglichkeit schien ihm auch das tschechische Schwulenmagazin Lui zu bieten. Wie die Redaktion der Zeitschrift auf ihrer Internetseite betont, war eine Diskussion mit dem ehemaligen Regierungschef geplant, die mit "hochqualitativen Fotos" auf den Seiten des Magazins erscheinen sollte.

Eine Idee, die Mirek Topolanek anscheinend mehr als gefiel. Bei dem Fotoshooting fühlte sich der konservative Politiker so wohl, dass er aus seiner Meinung über Schwule, Juden, Kirchgänger und Durchschnittstschechen kein Geheimnis machte.

Auf die Frage, wie er Schwule charakterisieren würde, verwies Topolanek auf den Verkehrsminister Gustav Slamecka, der aus seiner Homosexualität kein Geheimnis macht. "Wenn es hart auf hart kommt, weicht der Minister aus." Eine Eigenschaft, die er auch Juden zuschreibt und dies am Beispiel des amtierenden Ministerpräsidenten Jan Fischer zu beweisen versuchte. "Der ist ein Jude, der ist nicht schwul, aber er weicht noch früher aus."

Keine besonders gute Meinung hat Topolanek auch von seinen Landsleuten, von denen er eigentlich in zwei Monaten gewählt werden möchte. "Der gewöhnliche Tscheche? Schweinebraten, Knödel und Kraut. Und im Grunde genommen müsste man sie alle einsperren und in den Arsch treten", antwortete der Politiker auf die Frage, wie er die Tschechen einschätze. Gläubige Christen wiederum nannte Topolanek Opfer der kirchlichen "Massenverdummung" und "Gehirnwäsche".

Es war jedoch nicht das Magazin Lui, das am Sonntag diese Aussagen publik machte und damit in Tschechien einen Skandal auslöste, sondern das Blatt Blesk. Denn irgendjemand der bei dem Fotoshooting anwesenden Personen nahm die Aussagen Topolaneks auf und spielte diese Videoaufnahmen der Boulevardzeitung zu. Und wie nicht anders zu erwarten, ließ die Reaktion auf diese Äußerungen nicht lange auf sich warten. Ministerpräsident Jan Fischer kündigte an, den Kontakt mit Topolanek zukünftig nur noch auf das Nötigste zu beschränken. Sein sozialdemokratischer Widersacher Jiri Paroubek wiederum verglich die Äußerungen mit Aussagen von Reinhard Heydrich. Und wenig erfreut zeigten sich auch Topolaneks Parteifreunde. Bereits am Montag forderten einige einflussreiche ODS-Politiker wie Premysl Sobotka den sofortigen Rücktritt von Topolanek.

Dieser bleibt Topolanek, der sich mehrmals für seine peinlichen Aussagen entschuldigte, jedoch erspart. Am Dienstag entschied das Parteigremium nach einer zwölfstündigen Sitzung, dass Topolanek weiterhin der Spitzenkandidat der ODS bleiben wird. Eine Entscheidung, die wohl auch mit fehlenden personellen Alternativen zu erklären ist, wie manche Beobachter vermuten.

Nach einem neuen Parteivorsitzenden dürfte sich die ODS wohl aber nach der Parlamentswahl umschauen müssen. Seit Monaten fällt die ODS in der Wählergunst zurück. Laut einer aktuellen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Median, würden sie momentan nur auf 20.7 Prozent der Stimmen kommen, während die Sozialdemokraten von der CSSD mit 34.5 Prozent die Wahl klar gewinnen würde. Überraschender Aufsteiger bei den Wahlen wäre die neue konservative Gruppierung TOP 09 des früheren Außenministers Karel Schwarzenberg.

Ein wichtiger Grund für die seit Monaten fallenden Umfragewerte der ODS ist ihr Vorsitzender Mirek "Tupolanek" (tupy bedeutet im Tschechischen blöd), wie die Tschechen ihn oft nennen. Denn die aktuellen Äußerungen sind nicht die ersten negativen Schlagzeilen, für die der Politiker sorgt. Nachdem im vergangenen Jahr zuerst aus dem Jahr 2008 stammende Nacktfotos von Topolanek auftauchten, die ihn inmitten von jungen Mädchen auf dem Anwesen von Silvio Berlusconi zeigen, sorgten kurz darauf Bilder von seinem Urlaub 2009 für Furore. Auf diesen war er zwar nicht nackt zu sehen, dafür aber in der Gesellschaft von einflussreichen tschechischen Geschäftsleuten.

Nicht frei von Skandalen ist aber auch Topolaneks Widersacher Jiri Paroubek. Seit mehreren Wochen wird der Sozialdemokrat, ebenso wie Topolanek, mit einem Bestechungsskandal um das österreichische Rüstungsunternehmen Steyr in Verbindung gebracht.