Beschleunigt sich die Flucht aus dem deutschen Mineralölmarkt?

Nächste Tankstelle in 58 km

Investoren fordern Mineralölkonzerne auf, aus dem deutschen Tankstellenmarkt auszusteigen. Jetzt hat Phillips 66 seine Marke Jet zum Verkauf gestellt.

Internationale Investoren trauen dem deutschen Mineralölendkundenmarkt kein Wachstum mehr zu und sehen daher von Investitionen in den deutschen Markt ab. Aussichten auf steigende CO2-Abgaben, immer wieder geforderte Geschwindigkeitsbegrenzungen lassen kein stabiles Absatzwachstum erwarten. Dazu kommt noch der politisch gewünschte Umstieg auf die E-Mobilität, der zur abnehmenden Bedeutung von konventionelle Tankstellen führt.

Auch wenn dieser Umstieg derzeit etwas stockt und die Politik sich trotz angesagter Energiewende dazu bemüßigt fühlt, preiswerte chinesische E-Mobile aus dem Markt zu verbannen, gelten deutsche Tankstellen offensichtlich nicht mehr als Markt der Zukunft. Weniger als fünf Prozent Umsatzrendite ist zu wenig.

Das führt dazu, dass sich die großen internationalen Mineralölkonzerne aus dem Downstream-Markt zurückziehen und sich auch im Midstream-Bereich immer mehr bislang eher unbekannte Investoren breit machen. Beschleunigt wird diese Entwicklung, seit die deutschen Rosneft-Beteiligungen unter die Treuhandschaft der Bundesnetzagentur gerieten.

Unter dem Konflikt mit Russland kam zuletzt auch das Geschäft der BASF-Beteiligung Wintershall Dea, die an den britischen Ölkonzern Harbour Energy verkauft wird, wobei die Hauptverwaltungssitze von Wintershall Dea in Kassel und Hamburg nicht Teil der Transaktion sind und geschlossen werden sollen. Das ehedem bedeutende Russlandgeschäft wird nicht an Harbour Energy veräußert, sondern verbleibt in Russland.

Rückzug aus dem deutschen Tankstellennetz

Nach der österreichischen OMV, die ebenso wie die ExxonMobil-Tochter ihr deutsches Tankstellennetz an die eher kleine britische EG Group abgestoßen hat, die ihr Hauptgeschäftsfeld im Bereich der Convenience Stores hat, wurde auch das deutsche Tankstellengeschäft der französischen TotalEnergies abgestoßen. Gekauft hat es das kanadische Unternehmen Couche Tard.

Auch hier folgten die Investoren den politischen Rahmenbedingungen:

Total hatte im März mitgeteilt, der Rückzug aus dem Tankstellengeschäft hänge mit der von der EU angestrebten Klimaneutralität sowie dem geplanten Ende des Verkaufs neuer Verbrenner-Autos ab 2035 zusammen.

CIO

Internationale Investoren wie Elliott Investment Management, einer der größten Activist Funds drängen jetzt auch Phillips 66 mit der Marke Jet den deutschen Markt zu verlassen. Phillips 66 geht auf eine Marke der 2002 erfolgten Fusion der Phillips Petroleum Company mit dem Öl- und Gasunternehmen Conoco zu ConocoPhillips zurück.

Wie schnell der Verkauf des deutschen Tankstellennetzes erfolgen kann, hängt einerseits von den möglichen Käufern ab, anderseits auch von der Prüfung dieser Investoren durch die zuständigen Regulierungsbehörden.

Der Chef des Hedgefonds, Paul Singer, ist dafür berüchtigt, dass er Unternehmen nach Schwachstellen absucht und dann bei diesen Firmen einsteigt. Bei Phillips 66 geschah es 2023 mit einer Milliarde Dollar, um dann das Management unter Druck zu setzen.

Nach Informationen des US-Branchendienstes Argus hat Singer zuletzt gedroht, personelle Veränderungen in der Führungsriege in den Aufsichtsgremien durchzudrücken, wenn der Verkauf der Tankstellen nicht zügig auf den Weg gebracht wird.

Die BP-Tochter Aral hat inzwischen viele der Convenience-Stores an ihren Tankstellen auf die von der Rewe-Tochter Lekkerland unter der Marke Rewe2go geführte Marke umgeflaggt. Die Shell Deutschland sieht die Zukunft ihres Tankstellennetzes nach jüngsten Angaben in der deutlichen Verkleinerung.

500 Stationen sollen pro Jahr geschlossen werden. Es steht zu befürchten, dass das angekündigte Tankstellensterben in erster Linie den ländlichen Raum und die Innenstädte betrifft, wo sich der Betrieb nur noch als Convenience Store mit rudimentärem Treibstoffverkauf lohnen könnte.

Auch bei den deutschen Raffinerien gibt es Veränderungen

Neben dem angekündigten weiteren Tankstellensterben trifft die Energiewende auch die deutschen Raffinerien. Das größte Sorgenkind in diesem Bereich stellt inzwischen die Raffinerie PCK Schwedt dar, die neben der Agglomeration Berlin auch einen beträchtlichen Teil Ostdeutschland mit Kraft- und Treibstoff versorgt. 90 Prozent der Versorgung mit Benzin, Kerosin, Diesel und Heizöl in Berlin & Brandenburg wird derzeit von PCK sichergestellt.

Mehrheitlicher Eigentümer von PCK ist die Rosneft Deutschland. Sie bleibt auf Anordnung der Bundesregierung weiter unter Treuhandverwaltung der Bundesnetzagentur. Auf Grundlage des Energiesicherungsgesetzes wurde die Treuhandverwaltung bis zum 10. September verlängert.

Mit dieser neuerlichen Anordnung behält sich die Bundesnetzagentur die Kontrolle über Rosneft Deutschland und damit auch über den jeweiligen Anteil in den drei Raffinerien PCK Schwedt, Miro (Karlsruhe) und Bayernoil (Vohburg) vor.

Politisches Interesse an der Raffinerie hat in erster Linie Polen mit dem Konzern Unimot. Polen will daher die Pipeline-Verbindung aus Kasachstan blockieren. Da stehen jedoch noch andere Interessen an der ostdeutschen Raffinerie entgegen.

Der Energiekonzern Shell will seinen Anteil an der Großraffinerie PCK Schwedt an die britische Prax-Gruppe verkaufen. Dies hängt jedoch nicht zuletzt von der Zustimmung des italienischen Minderheitseigner ENI ab, dem 8,3 Prozent der Raffinerie gehören und der ein Vorkaufsrecht besitzt. Das entspricht jedoch nicht den Wünschen der österreichischen Alcmene GmbH.

Das Bundeskartellamt hat der zur estnischen Liwathon-Gruppe gehörenden österreichischen Alcmene GmbH grünes Licht zur Beteiligung an der PCK-Raffinerie gegeben. Diese Beteiligung ist jedoch bislang nicht zustande gekommen.

Daher wagt Alcmene, betreut von der Kanzlei Noerr, jetzt den Einstieg bei der Karlsruher Miro. Hier geht es um den 25-prozentigen Anteil der Esso Deutschland, die schon ihr Tankstellengeschäft verkauft hat. Gesellschafter der Miro sind neben der Esso auch die Shell Deutschland sowie das unter Treuhandschaft der Bundesnetzagentur stehende deutsche Geschäft von Rosneft sowie die US-amerikanische Phillips 66.