TikTok im Fadenkreuz: Von der Leyen sieht eine Gefahr

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bei einer Rede

Foto: Alexandros Michailidis, Shutterstock.com

EU-Kommissionschefin deutet auf ein mögliches Verbot der Plattform hin – der Beginn einer neuen Ära der digitalen Regulierung? Forschung hinkt Entwicklungen hinterher.

Die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, hat in einer Debatte in Maastricht eine mögliche Verbannung der Social-Media-Plattform TikTok in der Europäischen Union angedeutet. Laut Politico bezeichnete sie TikTok als eine Gefahr und hob hervor, dass die Kommission die erste Institution weltweit gewesen sei, die TikTok auf ihren Firmenhandys verboten habe.

"Wir kennen die Gefahr von TikTok genau", sagte von der Leyen. Wie die Gefahr konkret aussieht, präzisierte sie auf der Wahlkampfveranstaltung, wo sie als Spitzenkandidatin auftrat, nicht.

120 Milliarden Dollar Umsatz und Milliarden Nutzer

TikTok ist mit 120 Milliarden Dollar Umsatz und Milliarden Nutzern weltweit heute als einziger Global Player auf dem Social-Media-Markt kein Unternehmen aus den USA. Die App hat selbst dort, im Mutterland der digitalen Plattformen, beachtliche 170 Millionen User, meist Teens und Twens, berichtete Thomas Barth kürzlich bei Telepolis.

Doch über 90 Prozent der TikTok-Nutzer in den USA nutzen auch YouTube (Google), 80 Prozent Instagram und 68 Prozent Facebook, beide von Zuckerbergs Meta-Konzern.

TikTok unter Beobachtung

Die Äußerungen der Kommissionspräsidentin erfolgten vor dem Hintergrund einer Reihe von schlechten Nachrichten für TikTok in Europa. Die Plattform hat kürzlich eine Funktion ausgesetzt, die Nutzer für die Interaktion mit der TikTok-Lite-App belohnte.

Dies geschah, nachdem die Kommission begonnen hatte, die Funktion im Rahmen des EU-Regelwerks zur Inhaltskontrolle, dem Digital Services Act (DSA), zu prüfen.

Des Weiteren läuft eine separate Untersuchung gegen TikTok wegen angeblicher Versäumnisse beim Schutz von Minderjährigen. Nach dem DSA kann die Kommission als letztes Mittel in jedem Fall die vorübergehende Aussetzung eines Dienstes anordnen.

Andere Standpunkte

Während die Kommissionspräsidentin eine klare Position gegenüber der Plattform einnahm, waren andere Kandidaten in der Debatte zurückhaltender. Marie-Agnes Strack-Zimmermann, die Spitzenkandidatin der FDP, meinte, man müsse abwarten und sehen, was mit TikTok geschieht.

Die Situation in den USA

Die Debatte um ein mögliches Verbot von TikTok erfolgt parallel zu ähnlichen Diskussionen in den USA. US-Präsident Joe Biden hat kürzlich ein Gesetz unterzeichnet, das TikTok ein nationales Verbot auferlegt, sollte es nicht von seinem chinesischen Eigentümer ByteDance verkauft werden.

Sicherheitsbedenken und Datenschutz

Sowohl in den USA als auch in der EU gibt es Bedenken hinsichtlich der Datensicherheit und des Schutzes von Minderjährigen auf der Plattform. Kritiker bemängeln, dass andere Unternehmen, die ähnliche Daten sammeln und speichern, bisher nicht als eine Bedrohung für die nationale Sicherheit eingestuft wurden.

Der Umgang mit TikTok und ähnlichen Social-Media-Plattformen bleibt ein kontroverses Thema in der politischen Debatte. Während einige Politiker ein strengeres Vorgehen fordern, sehen andere die Angelegenheit weniger kritisch. Die Äußerungen von Ursula von der Leyen zeigen jedoch, dass die Diskussion um die Rolle von TikTok in der EU weiterhin aktuell ist.

TikTok: Gefahr oder harmloses Unterhaltungsmedium?

Die TikTok-Apps stehen in Europa und den USA unter intensiver Beobachtung. Besondere Bedenken gelten der psychologischen Wirkung und der potenziellen Suchtgefahr, die von den Apps ausgehen könnten.

Während einige Forschende auf das Belohnungssystem der App verweisen, das Suchtpotenzial verschärfen könnte, betonen andere, dass weitere psychologische Forschung nötig ist. Diese unterschiedlichen Standpunkte wurden in einer Übersicht des Science Media Center Germany zusammengefasst.

Psychologische Auswirkungen und Regulierung im Fokus

In der EU konzentriert sich die Diskussion hauptsächlich auf die Risikoeinschätzung und das potenzielle Suchtrisiko von TikTok Lite, einer abgespeckten Version von TikTok, die weniger Arbeitsspeicher und Speicherplatz benötigt und auch mit schlechterer Internetverbindung funktioniert.

Es wird die Frage aufgeworfen, ob Bytedance genug gegen Suchtgefahren und die Verbreitung illegaler Inhalte unternimmt.

Bedenken gegen das Belohnungssystem

Ein zentraler Kritikpunkt an TikTok und TikTok Lite ist das Belohnungssystem der App, bei dem Nutzer durch bestimmte Aktivitäten digitale Münzen verdienen können. Diese Münzen können dann für Gutscheine, Geschenkkarten oder zur Unterstützung von Content Creators ausgegeben werden. Kritiker befürchten, dass dieses System das Suchtpotenzial der App weiter verstärken könnte.

Stimmen aus der Forschung

Die Forschung zu den Auswirkungen der TikTok-Nutzung auf unser Verhalten und Wohlbefinden sei noch nicht sehr weit entwickelt, wird Anne-Linda Camerini, Dozentin und Forscherin an der Università della Svizzera italiana, zitiert.

Camerini betont, dass die Forschung den rasanten Entwicklungen im Bereich der sozialen Medien chronisch hinterherhinkt. Sie weist darauf hin, dass TikTok sowohl positive als auch negative Auswirkungen haben kann und dass das Risiko einer Abhängigkeit besteht.

Obwohl ein Verbot von TikTok in der EU eher unwahrscheinlich erscheint, bleibt die Debatte um die psychologischen Auswirkungen und die potenzielle Suchtgefahr bestehen. Die Forschung zu diesem Thema steht noch in den Startlöchern, und es bleibt abzuwarten, welche konkreten Maßnahmen in Zukunft ergriffen werden.