AfD auf Kurs, auch gegen Muslime…

Seite 2: Gegenproteste, Ausschreitungen und geleakte Mitgliederdaten

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Begonnen hatte der Bundesparteitag in Stuttgart am Samstagmorgen mit Verspätung, einerseits lag das wohl am Andrang der über 2.000 Mitglieder, zum anderen aber auch an den teils militanten Gegenprotesten. Laut Polizeibericht kam es dabei aus der linksradikalen Szene zu Ausschreitungen und Straßenblockaden, darunter solche mit brennenden Reifen auf einem Autobahnzubringer. Die Polizei nahm mehrere hundert Gegendemonstranten in Gewahrsam. Bei Protesten am Samstagmittag von fast 2.000 (Polizei) bis 4.000 (Veranstalter) Menschen kam es demgegenüber, abgesehen von vereinzelten Feuerwerksaktionen und dem Bewerfen der Polizisten mit Gegenständen, so der Polizeibericht kaum zu Zwischenfällen.

Ein ziemliches Debakel für die AfD war, dass mutmaßlich antifaschistische Kreise via Internet am Samstag die Daten inklusive Privatanschrift, Mailadresse und Rufnummern von den Besuchern des Bundesparteitages in Bremen geleakt hatten. Hätte die Partei da noch glauben können, diese Daten seien eventuell dank des großen Zeitfensters an einer undichten Stelle versehentlich weitergegeben worden, publizierten offenbar dieselben AfD-Gegner am Sonntag aktuelle Daten eines Großteils der Teilnehmer vom Stuttgarter Parteitag. Parteichef Meuthen kündigte eine interne Untersuchung und strafrechtliche Schritte an. Er forderte Bundesjustizminister Heiko Maas auf, mit derselben "Intensität gegen linksradikale Websites vorzugehen wie gegen rechtsradikale".

Volk, hör' die Signale

Wohin will die AfD? Auf dem Parteitag in Stuttgart gab es abgesehen von der Diskussion um das Programm widersprüchliche Signale. Einerseits billigte der Parteitag mit rund 52 Prozent, dass der Bundesvorstand den Landesverband Saarland auflösen will, weil dieser mit Rechtsextremisten, NPD-Leuten und einem rechtsextrem dominiertem "Pegida"-Ableger geflirtet haben soll. Dass manche Kreisverbände oder Landesverbände ebenso mit Protagonisten aus dem extrem rechten Lager anbändeln, wurde indes nicht groß thematisiert. Die "Schwäbische Zeitung" stellte fest, in den Wortmeldungen zum Parteiprogramm und den Gesprächen auf den Fluren des Parteitages sei "viel Esoterisches zu vernehmen" gewesen, "neben Rassistischem und Verschwörungstheorien."

Zudem verlas der nordrhein-westfälische Landeschef und AfD-Europaabgeordnete, Marcus Pretzell, am Samstag eine Grußbotschaft der rechtsradikalen FPÖ und kündigte an, im EU-Parlament künftig der Fraktion "Europa der Nationen und der Freiheit‟ (ENF) angehören zu wollen. Es ist jene Fraktion auch rechtsradikaler Parteien, die vom extrem rechten "Front National" (FN) dominiert wird.

Überdies wird die AfD weiterhin auf eine Mischung aus Angstmacher, Opfermythen und Attacke setzten, sich zudem als Retter des Abendlandes gerieren. Der stellvertretende Bundesvorsitzende Alexander Gauland nannte das Grundsatzprogramm, über das man zu debattieren und abzustimmen habe, beim Parteitagsauftakt eine "zentrale Weichenstellung für die Zukunft" der Partei, für die Zukunft Deutschlands und sogar Europas. Als sei die AfD schon der Nabel der politischen Welt.

Allein gegen den politischen Vernichtungskrieg

In einer Gastrede lobte der ehemalige tschechische Staatspräsident Vaclav Klaus die Partei, kritisierte indes die "Dämonisierung" der AfD durch politische Gegner. Die "Brutalität" der Angriffe zeige nur, dass die Gegner "Angst" vor der AfD hätten. Die Partei wehre sich gegen die "vernichtenden Angriffe" auf Tradition und Werte, die man von den Eltern und Großeltern "geerbt" habe.

Kurz darauf bewies Parteichef Meuthen, dass er - und nicht Petry! - längst die zentrale Figur im Vorstand ist. Meuthen skizzierte in seiner programmatischen Rede die Zukunft der Partei. Sie müsse eine moderne konservative und "freiheitliche" Partei sein, weder reaktionär, noch strukturkonservativ oder rückständig, sondern mit einem gesunden Verhältnis zu einem "souveränen", "selbstkritischen" und "weltoffenen" Patriotismus.

Nicht gegen Zuwanderung sei man, sagte Meuthen, nur gegen den "massenhaften" Zuzug von Menschen aus "anderen Kulturkreisen". Religionsfreiheit sei ein "hohes Gut", Muslime sollten ihren Glauben leben, falls sie sich an Gesetze hielten. Leitkultur sei aber nicht der Islam, sondern die christlich-abendländische Kultur: "Dann kann nicht hier künftig der Ruf des Muezzins die gleiche Selbstverständlichkeit für sich beanspruchen wie das christliche Geläut von Kirchenglocken." Besonders viel Applaus erhielt Meuten, als er sagte, dass man "weg [will] vom linken, rot-grün verseuchten, leicht versifften 68er-Deutschland" und hin zu einem "wirklich freien, souveränen Nationalstaat Deutschland in der Völkergemeinschaft der Welt".

Petrys Rede wirkte danach eher blass, abgesehen davon, dass sie es offenbar provokant fand, im grünen Jacket und roten Rock aufzutreten und andeutete, solche Farbspiele gehörten eben nicht nur anderen Parteien. Die Bundesvorsitzende stänkerte in ihrer Parteitagsrede abermals gegen die Medien. Der Vorwurf des "Rechtsrucks" gegen ihre Partei sei "selten durch Fakten belegt", die anderen Parteien würden die AfD massiv diffamieren. Allerdings werde die AfD schon weltweit wahrgenommen, befand Petry. Man werde kämpfen für ein Europa "souveräner Vaterländer", die Erwartungen im Ausland an die Partei seien groß und zwecks Umsetzung der eigenen Politik müsse man "Mehrheiten erringen". Österreich habe gezeigt, wie schnell so etwas gehen könne.

Die Gegendemonstranten nannte Petry "Pluralismushasser", die "Bodentruppen der Konsensparteien", die die offenbar nun schon glorreichen "Dissidenten" der AfD bekämpften. Dann schimpfte sie oberlehrerinnenhaft erneut gegen die Medienvertreter, denn diese müssten den "Dialog auf Augenhöhe" noch lernen, sollten ihre Rolle überdenken und neutral berichten, anstatt "politische Botschaften" zu erfinden. Laut Petry müsse die heutige Gesellschaft Deutschlands "die demokratische Kontroverse wieder erlernen".