Agenten im All

Die Möglichkeiten der Fernerkundung durch Satelliten wachsen ständig, eine Kontrolle, wer die Bilder wie verwendet, ist kaum gegeben

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In dem Kinofilm Staatsfeind Nummer eins gerät der Staranwalt Robert Clayton Dean, gespielt von Will Smith, ins Visier des Geheimdiensts NSA (National Security Agency) und wird von den Agenten gejagt. Die NSA ist fähig, jeden in kürzester Zeit mit der Hilfe von Satelliteninformationen aufzuspüren. Ähnliche Szenarien finden sich auch in anderen Hollywood-Streifen wie z.B. in Men in Black, als Kay alias Tommy Lee Jones sich mit einer Satellitenkamera an seine Frau heran zoomt, um in Echtzeit zu schauen, was sie gerade tut.

Aufnahme von Manhattan, 11. September 2001, 11:43 Uhr; Bild: IKONOS

Ob die Dienste in der Realität dazu fähig sind, ist nicht klar, aber sie nähern sich zumindest diesen Möglichkeiten, auch durch die Kombination verschiedener visueller Überwachungstechniken (vgl. Wie eine Seuche). Wie James Bamford, Geheimdienstexperte und Autor eines Buches über den NSA, in der New York Times berichtet, gelang es am letzten Unabhängigkeitstag in Los Angeles auf diese Weise binnen Minuten einen Tatort genau zu lokalisieren. Am El Al- Schalter hatte ein Passagier plötzlich das Feuer eröffnet und zwei Personen getötet sowie andere verletzt. Innerhalb kürzester Zeit hatte die Polizei detaillierte Satellitenaufnahmen des Flughafens und die exakten Koordinaten, wo die Schießerei passierte, vorliegen. Die Bilder kamen von der "National Imagery and Mapping Agency" (NIMA), die für die Auswertung von Spionage-Satellitenbildern verantwortlich ist. Sie unterstützte während der olympischen Winterspiele in Salt Lake City auch den Secret Service und das FBI.

Seit 1960 nutzen die USA Satellitenbilder, um Informationen über mögliche Feinde zu sammeln. Während des Kalten Krieges ging es darum, die Rüstungskapazitäten der UdSSR auszuspionieren, heute stehen die Staaten der Achse des Bösen genauso im Zentrum der Aufmerksamkeit wie Terroristen und andere potenzielle Feinde des Staates. Dabei steht der Staat seit einigen Jahren in Konkurrenz zu privaten Firmen, denn seit 1999 verkaufen auch kommerzielle Anbieter die aus dem All geschossenen Bilder der Erde. Der Satellit IKONOS von Space Imaging machte es möglich (Hochaufgelöste Satellitenbilder zu verkaufen). Der Markt ist interessant, inzwischen macht die Firma mehr als 200 Millionen Dollar Umsatz jährlich. Tendenz steigend, zumal die US-Regierung angefangen hat, Bilder dieser Anbieter aufzukaufen. Im Afghanistan-Krieg gab es den Versuch, durch Ankauf aller angebotenen Satellitenbilder die Kontrolle zu behalten (Pentagon gibt Exklusivrechte an kommerziellen Satellitenbildern von Afghanistan wieder auf), ähnliches geschah auch während des Irak-Krieges (Pentagon auf Einkaufstour).

Die USA wollen ihren Vorsprung in der Fernerkundung sichern

Jetzt haben die Geheimdienste vor, das Programm "Future Imagery Architecture" (FIA) weiter auszubauen und ein Dutzend neuer, kleiner bildgebender Satelliten zu starten, um die vorhandenen vier oder fünf künstlicher Trabanten zu ersetzen, die momentan im Orbit kreisen.

Seit Mitte Mai gibt es außerdem eine neue Richtlinie der US-Politik, die vorsieht, der kommerziellen Satelliten-Fernerkundung weitere und systematische Unterstützung zukommen zu lassen. Das Weiße Haus ließ dazu verlauten:

Die Nationale Sicherheit, die Außenpolitik sowie wirtschaftliche und zivile Interessen, hängen der Möglichkeit der USA ab, die Erde aus der Ferne vom Weltall zu beobachten. Zu diesem Zweck entwickelt und betreibt die US-Regierung leistungsstarke Fernerkundungssysteme im Weltraum für die Ziele der nationalen Sicherheit, zur Erfüllung der Bedürfnisse von zivilen Aufgaben und zur Versorgung mit wichtigen öffentlichen Diensten. Die US-Systeme für die nationale Sicherheit sind wegen ihrer Sammlung von Daten hoher Qualität, ihrer Zeitlosigkeit, ihres Volumens und ihrer Abdeckung wertvoll und liefern eine fast in Echtzeit stattfindende kontinuierliche Überwachungsmöglichkeit für Ereignisse auf der ganzen Welt. ... Das fundamentale Ziel der US-Politik für kommerzielle Fernerkundung im Weltraum ist es, die nationale Sicherheit und die Außenpolitik durch die Bewahrung der führenden Position in der Fernerkundung im Weltraum und durch die Unterstützung und Stärkung der US-Industrie für Fernerkundung zu fördern und zu schützen.(Fact Sheet: U.S. Commercial Remote Sensing Space Policy.

Konkret will die Regierung gezielt die heimischen Anbieter unterstützen, in dem sie möglichst viele Bilder für das Militär, die Geheimdienste, die Außenpolitik, die Heimatsicherheit etc. ankauft. Angepeilt wird eine kontinuierliche Zusammenarbeit mit diesen Firmen, wobei natürlich auch eine Kontrolle bezüglich der Bedürfnisse der nationalen Sicherheitsinteressen stattfinden soll. Bisher mussten die Satellitenbetreiber in den USA alle Aufnahmen und Verkäufe dokumentieren, aber der internationale Konkurrenzdruck steigt. Die USA sollen Spitzenreiter im Handel mit Satellitenbildern bleiben.

Dahinter steht die Fülle von Satellitendaten, die inzwischen international angeboten werden. Das drückt auf den Preis, macht aber auch die Kontrolle, wer was zu welchem Zweck ankauft, immer schwieriger. Fraglos gibt es eine Menge sehr positiver Projekte, die durch die künstlichen Augen, die um uns kreisen, möglich werden. Dazu gehören ganz Praktisches wie die Beobachtung der Umweltverschmutzung und der Veränderung des Klimas (Virus der kollektiven Trauer oder Die Erde mit elektronischen Augen gesehen), Verkehrsbeobachtung und -leitsysteme, das Aufspüren von Waldbränden und die Erstellung von Gefahrenkarten (High-Tech-Würfel als orbitaler Feuermelder), das Finden von Bodenschätzen, die Ortung von kommenden Hochwassern (Wann kommt die Flut?), aber auch grundsätzliches wie Röntgenteleskope zur Weltraumforschung (Röntgenatlas des Grauens) oder die Überwachung der Abrüstung. Ein wesentlicher Bereich ist aber auch die Verfolgung von Terroristen und Straftaten jeglicher Art.

Konstante Echtzeit-Überwachung des Planeten

Satellitendaten sind heute in vielfältiger Form verfügbar. Die klassische, bzw. heute digitale Fotografie aus dem All bringt Auflösungen von mindestens einem Meter, das entspricht dem Angebot von IKONOS. Experten gehen davon aus, dass das Militär über bessere Technologie mit Auflösungen von bis zu 10 cm verfügt. Der Geograf Mark Monmonier geht in seinem Buch Spying with Maps: Surveillance Technologies and the Future of Privacy) sogar von rund 7 cm aus. Aber das ist nur ein Teil, heute sind Satelliten auch mit vielen anderen Instrumenten ausgerüstet, mit Radar können z.B. Landschaften und Städte auch in der Dunkelheit oder durch eine Wolkendecke dreidimensional abgebildet werden. Mit Infrarot wird es möglich, durch Wände zu sehen und Wärme in jeder Form auch nachts zu entdecken.

Dazu kommt Global Positioning Systems (GPS), die Satellitenortung, die zunehmend eingesetzt wird, um Verdächtige zu verfolgen und zu überwachen. Vor dem Washington Supreme Court findet gerade eine Anhörung statt, um zu klären, ob eine richterliche Anordnung nötig ist, wenn ein Verdächtiger von den Ermittlern mit einem GPS-Receiver bestückt wird.

James Bamford ist besorgt um die Freiheit des Einzelnen:

Wenn es genügend kommerzielle und Spionage-Satelliten gibt, ergänzt durch Flugzeuge und ein darauf abgestimmtes auf der Erde platziertes System, können die Geheimdienste eines Tages die ultimative Erfassung erreichen: konstante Echtzeit-Überwachung des Planeten.

Diese Sorge teilt Bamford mit vielen Bürgerrechtlern in den USA, die nach dem 11. September im Zuge der Terrorbekämpfung ein wachsendes Defizit des Schutzes der Privatsphäre beklagen und kürzlich aufzeigten, was auch ohne Satellitenbilder technisch schon alles machbar ist (Überwachungsmonster USA).