Bill Gates: Ich bin nur Verwalter meines Reichtums

Auf einer PR-Tour durch das Silicon Valley bekräftigt Bill Gates seine rauhe Gangart gegenüber Washington und outet sich gleichzeitig als verkappter Menschenfreund.

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Bill Gates hat wenige Freunde im Silicon Valley, doch wenn der Krösus zu einer seiner regelmäßigen Stippvisiten gen Süden fliegt, blickt er nur in lächelnde Gesichter. Weiß doch kein Unternehmensführer in Kaliforniens High-Tech-Schmiede, welche innovative Jungfirma gerade in Gates' Portfolio und Expansionspläne paßt. Die Einkaufsliste des Microsoft-Chefs im vergangen Jahr war jedenfalls recht lang - WebTV und Hotmail waren nur die bekanntesten Gesichter aus dem Valley, die sich plötzlich in das Imperium Microsofts eingegliedert sahen.

Bei seinem jüngsten Besuch der Bay Area vor wenigen Tagen hatte Gates die Geldbörse allerdings zuhause gelassen. Eine Imagetour stand auf dem Programm, wie man sie sonst nur im Rahmen von Wahlkampfkampagnen der großen Politstars her kennt. Doch Gates macht mit seiner Marktmacht längst mehr Politik als mancher Abgeordnete, auch wenn seine Erfahrungen mit Washington in den vergangenen Monaten nicht die besten waren. "Ich war so naiv", berichtete der ständig Mißverstandene dem staunenden Publikum auf der exklusiven Technologiekonferenz der Nationalbank Montgomery in San Francisco über seinen Feldzug für Gerechtigkeit gegen das amerikanische Justizministerium (MS und die Gerichte). "Wir wußten nicht, daß man von uns erwartete, unsere Produkte zu verkrüppeln."

Certainly the success we're having with our products, the success of the PC in giving people hardware choices, applications choices, this is an incredible American success story

Bill Gates

Mit dem Kommentar ging Gates zurück zu seiner starren Konfrontationshaltung gegenüber der Regierung. Nach der unerwarteten Einigung im Streit um die Entfernung des Explorer-Icons auf der Windows 95-Oberfläche vergangene Woche, mit der Microsoft haarscharf einer Millionenstrafe entgangen war, machte Gates klar, daß er im eigentlichen Kampf um die Integration des Webbrowsers in zukünftige Betriebssysteme keinen Millimeter von seiner Position abweichen werde. Gegenüber der San Jose Mercury News bekräftigte er, daß Microsoft plane, Windows 98 im Sommer nach Fahrplan auszuliefern - "so wie es ist." Die Firma könne einfach keine Rücksicht darauf nehmen, welche Erwartungen "verschiedene Leute" an gute Software stellten. Man sei es außerdem leid, Tausende von Versionen eines Betriebssystems zu liefern. Einen Tag nach Gates Abstecher nach Kalifornien schickten seine Anwälte dann auch tatsächlich einen 51 Seiten langen Berufungsbescheid nach Washington, in dem sie dem Richter Thomas Jackson die Überschreitung seiner Befugnisse bei der Anordnung zur "Entbündelung" von Windows und Explorer vorwerfen.

Clearly, if we have a monopoly we don't know about it because otherwise we'd price our product very, very differently.

Bill Gates

Vor einer Gruppe von 2000 Studenten der Stanford-Universität in Palo Alto zeigte Gates allerdings zumindest Veständnis dafür, daß das Justizministerium gerade seine Firma als Zielscheibe ihrer Antitrust-Untersuchungen auserkoren habe. Die Softwarebranche sei nun mal eine sehr "sexy" Industrie. Die Elitestudenten forderte er dann dazu auf, sich in die Lage der Politiker zu versetzen: "Wenn Ihr für das Justizministerium arbeiten würdet, was würdet Ihr lieber gerichtlich untersuchen - Brot oder Software?" Es sei also nur allzu verständlich, daß die Regierungsangestellten ihre Freude daran hätten, "über diese Dinge etwas zu lernen."

Schüchterne Anfragen, ob Microsoft durch die Beherrschung von fast 90 Prozent des Marktes für Betriebssysteme im PC-Bereich nicht doch eine Monopolstellung habe, wies der Softwarekönig weit von sich: Erstens habe Microsoft an der gesamten Softwareindustrie nur einen Anteil von 4 Prozent. Und zweitens sei das Business wettbewerblich so hart, daß die Firma ständig Innovationen bringen und 16 Prozent ihres 9 Milliarden-Gewinnes in Forschung und Entwicklung stecken müsse, um nicht vom Markt gefegt zu werden. Eine Theorie, die Gates bereits erfolgreich in rechten Politkerkreisen gestreut hat. Als Newt Gingrich beispielsweise jüngst im Silicon Valley (Story) zum Thema Microsoft und Antitrust in der digitalen Ökonomie befragt wurde, antwortete der gerade aus Redmond kommende Republikaner ausweichend: "Das ist ein erstaunlich hartes und kompetitives Umfeld, und die Beteiligten bleiben besser sehr beweglich, solange das so weitergeht." AT&T oder General Motors könnten bereits ein Lied davon singen, wie vergänglich Marktmacht in der Weltwirtschaft sei.

They're hell-bent on dominating the entire information infrastructure of the world and it scares the daylights out of me.

Gary Reback, Staranwalt von Silicon-Valley-Firmen wie Netscape über Microsoft

Nachdem Gates ausgiebig die Peitsche gegen die Regierung geschwungen hatte, holte er auch das Zuckerbrot aus seinen tiefen Taschen. In einer Schulklasse, die er über die wunderbaren Lernchancen mit dem PC aufgeklärt hatte, verkündete er ein Hilfsprogramm in Höhe von 1 Million Dollar für Softwareanwendungen im Schulbereich. Und als ein Stanford-Student ihn nach seinen philantrophischen Neigungen fragte, ließ Gates - dem Trend der Milliardenspenden seiner Wirtschaftskollegen folgend? (Ted Turner oder die Freude des Gebens) - ganz neue Seiten seiner Persönlichkeit erkennen und erklärte den Erfolg seiner Firma als eine reine Mischung aus gutem Timing, Glück und spezifischen Fähigkeiten. Sein Vermögen in Höhe von rund 30 Milliarden Dollar wolle der reichste Mann der Welt deshalb nicht ewig für sich allein behalten. "Ich bin nur der Verwalter dieses Reichtums", so Gates. "Und eines Tages werde ich ihn der Gesellschaft zurückgeben."