Die doppelte Weltkrise

US-Armee im Irak, 2007: Was für eine Sauerei! Bild: U.S. Air Force photo by Master Sgt. Andy Dunaway, CC BY 2.0

Aufrüstung schürt Klimakrise. Das sieht auch die Friedensforschung. Dennoch drohen Russlands Krieg und die Nato-Antwort weiteren Schaden anzurichten.

Der Appell von UN-Generalsekretär António Guterres an die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen, sich zu einer "Koalition der Welt" für den Frieden zusammenzuschließen, den er vor der Sitzung der UN-Generalversammlung im vergangenen September formuliert hatte, ist verhallt. Seine Diagnose, die "Welt sei in großer Gefahr und gelähmt", wird durch immer neue Entwicklungen bestätigt.

Dies zeigt sich nicht nur an den Kriegen in vielen Regionen der Welt. Neben dem Sudan, der sich im dritten Jahrzehnt eines Konflikts und Bürgerkriegs um Ressourcen und Macht befindet, geht der Krieg im Jemen, den die UNO als die größte humanitäre Katastrophe unserer Zeit bezeichnet, in sein zweites Jahrzehnt und hat bisher rund 5 Millionen Menschen in die Flucht getrieben.

Der Kongo kommt seit mehr als einem halben Jahrhundert nicht zur Ruhe, weil dort um Öl, Gold, Kupfer und Kobalt gekämpft wird. Die Zahl der Flüchtlinge auf der Balkanroute hat sich im letzten Jahr verdreifacht und 2012 kamen die meisten Asylsuchenden in Deutschland aus Syrien, Afghanistan, der Türkei und dem Irak. Schutzsuchende aus der Ukraine durchlaufen diese Verfahren nicht.

An vielen Kriegen sind Nato-Staaten aktiv und mit Völkerrechtsbrüchen beteiligt. Dennoch verbreiten viele meinungsführende Medien die Botschaft, die auch aus der Ampel-Regierung und der Nato zu vernehmen ist, der zufolge es alleine Russland ist, dem das vorzuwerfen ist. So schrieb auch die Bundeszentrale für politische Bildung im Juli 2022:

Russlands Angriff hat eine tektonische Verschiebung in Gang gesetzt: Europa geht über von einer kooperativen in eine konfrontative Sicherheitsordnung. Der Westen muss sich neu aufstellen: Es gilt, den Konflikt mit Russland gestalten zu können, anstatt ihn (zu) ertragen.

Diese Einordnung des Ukraine-Krieges verschweigt, dass der durch nichts zu rechtfertigende Krieg Russlands, anders als der Irak-Krieg, der wie der Jugoslawien-Krieg durch eine Lüge legitimiert wurde, auf eine Vorgeschichte von Verstößen gegen internationale Völkerrechtstexte folgt. In der UNO hieß es schon vor zwanzig Jahren, das Völkerrecht sei kein Zweiklassenrecht.

Die Lähmung der Welt im Angesicht der großen Gefahr, vor der die Zivilisation zuläuft, ist allerdings noch größer, da die Wahrnehmung für Ursachen der Zukunftsgefahren durch die Meinungsmache fehlgeleitet wird.

Dies wird schon beim jüngsten Petersberger Klimadialog deutlich, der diesen Monat in Berlin stattfand, um die nächste UNO-Klima-Konferenz COP 28 im Öl-Staat Vereinigte Arabische Emirate stattfindet, zu dessen Aufgabe das Auswärtige Amt schreibt:

Auch der 14. Petersberger Klimadialog steht im Zeichen multipler globaler Krisen. Vor dem Hintergrund des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine und der dadurch ausgelösten Energie- und Lebensmittelkrise, beraten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, wie sie die Energie- und Klimawende dennoch beschleunigen können. Dabei geht es auch darum, Abhängigkeiten von fossilen Energieträgern zu reduzieren und ärmere Länder bei der Umstellung auf nachhaltige Energiequellen zu unterstützen, um die globale Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. … die Klimakrise und Fragen der internationalen Sicherheit sind eng miteinander verknüpft.

Rüstung bei Klimaberechnung ausgeklammert

Dieser Einschätzung zum Trotz verbindet die Bundesregierung den Sicherheitsbegriff mit dem Militärischen.

Und auch seitens der USA bleibt der Rüstungsbereich bei den UNO-Klimakonferenzen unberücksichtigt, so, als ließe sich die Klimapolitik zur Verhinderung einer Erderhitzung von mehr als 1,5 Grad Celsius mit Aufrüstung vereinbaren.

Es ist daher zu befürchten, dass die Nato mit "Defender 2023" im Juni ihr bisher größtes Luftkriegsmanöver durchführt, das die Atmosphäre mit immensen fossilen Verbrennungsabgasen belastet und die Spannungen zwischen West und Ost weiter eskaliert, ohne dass wesentliche Teile der Klimabewegung diesen Zusammenhang aufgreifen und dagegen protestieren.

Auch die gleichzeitig stattfindende Bonner UNO-Klimakonferenz wird laut Ankündigung die militärbezogenen Klimaschädigungen entsprechend dem US-Beschluss von 1998 aussparen, also schon insofern scheitern.

Das verantwortliche UN-Sekretariat des Rahmenübereinkommens der Vereinten Nationen über Klimaänderungen beschreibt zwar sein Ziel, "die Treibhausgaskonzentration in der Atmosphäre auf einem Niveau zu halten, auf dem eine gefährliche anthropogene Störung des Klimasystems verhindert wird". Aber selbst, wenn die einladende UNO-Klima-Einrichtung von "allen Teilen der Gesellschaft" spricht, gilt die Vorgabe der Ausblendung der militärbezogenen Klimaschädigungen.

Und dies, obwohl schon der CO-2-Fußabdruck alleine der US-Armee riesig ist. Er ist allen ökologischen Erfordernissen zum Trotz größer geworden: Petra Kelly, Gründungspersönlichkeit der Grünen, beklagte 1983:

Ein System ist bankrott, wenn auf dieser Erde pro Minute 2,3 Millionen Dollar dafür ausgegeben werden, die Vernichtungsmaschinerie zu vervollkommnen, während gleichzeitig die Mittel zum Unterhalt des Lebens immer knapper werden.

Wie Recht sie damit hat, zeigt sich am Umgang der in den Industriestaaten politisch und ökonomisch Verantwortlichen: Sie folgen der Logik des Systems, das auf Konkurrenz und Wachstum aufbaut und der Logik der Militärstrategen, vor allem der Nato, die alleine circa 55 Prozent der gesamten Rüstungsausgaben aller Staaten der Welt aufbringt.

Das entspricht fast genau der Summe der weltweiten Rüstungsausgaben von 1983: Die laut dem schwedischen Friedensforschungsinstitut Sipri offiziell eingestandenen aktuellen Weltrüstungsausgaben beziffern sich auf 2,24 Billionen US-Dollar.

Das Sipri wird auf einer Konferenz Mitte Mai auf diese Zusammenhänge hinweisen: Mit der Orientierung auf die „Suche nach Lösungen für turbulente Zeiten“ plant das Forum eine Beratung über die komplexen Entwicklungen auf globaler Ebene. Abgesehen von dem gefährlichen Krieg in der Ukraine laufen laut Sipri derzeit in 55 weiteren Ländern bewaffnete Konflikte.

Das Friedensforschungsinstitut betont, dass sich die geopolitischen Spannungen sowohl auf globaler Ebene als auch in Schlüsselregionen wie etwa am Golf verschärfen.

Auch das schwedische Institut sieht den Klimawandel und die mit ihm zusammenhängende Ernährungskrise als Konfliktfaktor.

Hier ist der friedensökologische Ansatz sichtbar, ohne den die Zukunftsgefährdungen nicht zu lösen sein werden. Die Zeit drängt, da die Staaten der Welt laut der Klimaforschung nur noch ein Rest-Budget von 400 Gigatonnen in die Erdatmosphäre emittieren können, wenn sie das in den UNO-Klimakonferenzen vereinbarte Ziel einhalten wollen, die Erderhitzung auf weitere 1,5 Grad Celsius zu begrenzen.