Djindjic-Nachfolger ist neuer Präsident Serbiens

Die Wahl von Boris Tadic zum neuen serbischen Präsidenten war eine Grundsatzentscheidung - das Land wird sich künftig wieder stärker prowestlich orientieren

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Eigentlich dürfte nichts unattraktiver sein, als serbischer Präsident werden zu wollen. Zumindest dann - so scheint es -, wenn dieser nicht dem "Westen" im Weg ist. Ermordet oder für die schlimmsten Verbrechen angeklagt, so sah es für die letzten drei von ihnen aus: Ivan Stambolic - der bis 1989 das Amt des Vorgängermodells, den eines Präsidiumspräsidenten innehatte - verschwand kurz vor dem politischen Umsturz 2000 (Ein revolutionärer Nachtmittag in Belgrad) und wurde erst 2003 ermordet aufgefunden. Nach jüngsten Aussagen von Milorad Ulemek alias "Legija" - dem Hauptangeklagten in diesem Fall, wie auch im "Fall Djindjic" - sollen jedoch Mitglieder der pro-westlichen DOS-Koalition den Auftrag dazu erteilt haben.

"Kampf um die Plakate", Foto: Stefan Tenner

Wegen Anstiftung zum Mord an Stambolic wurde jedoch bereits der Stambolic-Nachfolger und damit der erste serbische Präsident Slobodan Milosevic (bis 1997) angeklagt. Milosevic und wiederum dessen Nachfolger - der zweite serbische Präsident Milan Milutinovic (bis 2002) - wurden unter der DOS-Regierung nach Den Haag ausgeliefert, wo ihnen Verantwortung für Kriegsverbrechen vorgeworfen wird. Das Amt blieb danach seit Ende 2002 unbesetzt, waren doch drei Anläufe wegen zu geringer Wahlbeteiligung immer wieder gescheitert. Somit sind am vergangenen Sonntag Serbiens Wähler zum fünften Mal zu ein und derselben Wahl gegangen.

Bei der ersten Runde am 13. Juni wollten 15 Kandidaten "König von Serbien" werden, nur eine echte Prinzessin - die von Karadjordje - war wirklich darunter, bekam aber lediglich 1 % der Stimmen. Was die Wähler eher wollten, war ein Kräftemessen zwischen dem pro- und dem antiwestlichen Block. So fanden sich auch beide Extrempositionen in der Endrunde wieder. Doch eine offene Konfrontation blieb aus, man kam sich sogar entgegen, um für Wechselwähler attraktiver zu werden. Die Radikalen mutierten zu "Realisten", die Demokraten zu Patrioten mit EU-Ausrichtung.

Boris Tadic von der Demokratischen Partei (DS) setzte sich dann mit 53, 7 % gegen Tomislav Nikolic von der Radikalen Partei (SRS) mit 45,0 % durch. Doch die Mehrheit der Wahlberechtigten hatte die Abstimmung boykottiert. Die Wahlbeteiligung lag bei 48,7 % und damit höher als in der ersten Runde. Die durchaus sinnvolle 50%ige Mindestwahlbeteiligung - von der Tageszeitung "taz" als lästiger Zensus beschrieben - wurde nun gestrichen und hat somit die Wahl erst möglich gemacht.

Der Liebling des Westens

Boris Tadic ist der Nachfolger des im vergangenen März ermordeten Zoran Djindjic (Schockzustand in Serbien) im Amt des Parteivorsitzenden der DS. Er ist Neuling auf dem politischen Parkett und tauchte erstmals als serbischer Minister für Telekommunikation, später als Verteidigungsminister von Serbien und Montenegro auf. In beiden Ämtern war er jedoch nicht sehr erfolgreich, denn die versprochenen Reformen kamen nicht voran.

Der Aufstieg an die Parteispitze gelang ihm dann nach dem Tod Zoran Djindjics und dem Zusammenbruch der DOS-Koalition. Er pokerte hoch und das Experiment gelang. Er fällte unbeliebte Entscheidungen und musste in seinen eigenen Reihen dazu aufrufen, nicht nervös zu werden. So leitete Tadic als Spitzenkandidat seine eigene Wahlkampf-Kampagne und stieg Dank seines Charismas schnell zum Liebling der Medien auf.

Bei den vorgezogenen Parlamentswahlen im Dezember des vergangenen Jahres verhinderte er somit den totalen Absturz seiner Partei, die zuvor maßgeblich die Ausrichtung der DOS-Koalition bestimmt hatte. Seitdem verfolgte er einen neuen (Schmuse-)Kurs gegenüber seinen politischen Gegnern aus dem gleichen Lager, die aber eine Distanzierung von Kostunicas DSS herausforderten. Weitere politische Konfrontationen blieben aber nahezu aus und dürften sich im Hinblick auf die Präsidentenwahlen positiv ausgewirkt haben.

Tadic halfen dabei bisher vor allem seine rhetorischen Fähigkeiten. Er gibt sich als moderner, weltoffener und pro-westlicher Politiker, der vor allem nach vorn schaut. Kritik an der erfolglosen DOS-Regierung unter Zoran Djindjic, dessen frühzeitigem Scheitern unter "Übergangspremier" Zoran Zivkovic (DOS-Koalition zerfällt endgültig) und den kriminellen Verstrickungen von Mitgliedern seiner Partei übte er somit verständlicherweise nicht. Sein Wahlkampf war von pro-europäischen "Vorwärts-Parolen" geprägt, der aber auch der Wählerschaft der Konkurrenz etwas patriotischer entgegenkam. Vielleicht bezeichnete deshalb die Nachrichtenagentur dpa Tadic als "gemäßigten Nationalisten", im Gegensatz zu den gängigen Medien, die in ihm einen demokratischen Reformpolitiker sehen.

Unterstützung bekam Tadic zudem von EU und USA, die ihn bereits in der ersten Runde favorisierten. EU-Außenkommissar Chris Patten drohte im Falle einer Niederlage des "demokratischen Blocks" mit Isolierung. Und so dürften sich viele Wähler genötigt gefühlt haben, dieser dezenten Erpressung mit einem Kreuz für Tadic zu folgen.

Der träumende Nationalist

Sein politischer Gegner Tomislav Nikolic ist weiterhin stellvertretender Vorsitzender der Radikalen Partei und führt die Politik des in Den Haag angeklagten Parteivorsitzenden und ehemaligen Präsidentenkandidaten Vojislav Seselj in gemäßigter Form fort. Nikolic erster und durchaus überraschender Sieg bei den gescheiterten Präsidentenwahlen im vergangenen November bescherte wenig später seiner Partei einen zweiten Sieg und den bisher größten Zuspruch bei den Wählern.

Die Radikale Partei ist nun erstmals auch für viele aus der Mittelschicht wählbar geworden. So gewann die Partei die Parlamentswahlen Ende Dezember, sitzt aber ebenso wie die Demokratische Partei in der Opposition. Nikolic ist der Mann der einfachen Leute, der "denen da oben" und vor allem den so genannten Demokraten den Kampf angesagt hat und dafür von den serbischen Medien selten gleichmäßig behandelt wurde. Mit seiner unterkühlten Art und einfachen Worten hat er nach der Selbstauslieferung Seseljs nach Den Haag seiner Partei einen Imagewechsel von einer politisch extremen auch zu einer Protest- und Arbeiterpartei beschert.

Die "Radikalen" sind einerseits eine Partei, die gegen Korruption und für den "kleinen Mann" eintritt, aber weiterhin für eine nationalistische, großserbische und rechtsextreme Ideologie steht. So hat der einst von der Radikalen Partei dominierte Gemeinderat des Belgrader Stadtteils Zemun - in dem sich gleichzeitig auch die Parteizentrale der Radikalen Partei befindet - in den 90er Jahren Rechtsextreme zu Ehrenbürgern des Stadtteils ernannt. Darunter Jean-Marie Le Pen aus Frankreich, Wolfowitsch Schirinowski aus Russland oder Franz Schönhuber. Diese Auszeichnungen wurden zwar im Jahr 2000 - nach dem Wahlsieg der DOS - aufgehoben, sind aber bis heute wegen eines Formfehlers noch immer in Kraft.

Als Träumer vom "Großserbien" erwies sich Nikolic erneut in seinem Wahlkampf, beschwichtigte aber, dass sein Wahlsieg keine Gefahr für die Nachbarländer darstellen werde. "Knin und Banja-Luka sind serbische Städte", wies er bei seiner Belgrader Abschlusskundgebung auf die Situation in Kroatien (Vertreibung der Serben aus Kroatien) und Bosnien-Herzegowina (laut Dayton-Vertrag) gehört die Republik Srpska zu Bosnien) hin und kündigte populistisch und friedliebend an, alle großen Waffen auf dem Balkan gemeinsam mit allen anderen Staaten vernichten zu wollen. Diese Option setzte sich nun aber nicht durch.

Die Regierung Kostunicas

Großer Verlierer der Vorrunde war aber zuvor zweifellos die erst seit knapp 100 Tagen amtierende Regierung unter Premier Vojislav Kostunica (Regierungswechsel in Belgrad). Denn Dragan Marscisanin (DSS) - der Kandidat der konservativ-neoliberal-monarchistischen Koalition aus DSS, G17Plus und SPO/NS - kam gerade mal auf den vierten Platz. Ivica Dacic - der Kandidat der Milosevic-Sozialisten (SPS), die die Minderheitsregierung tolerieren - landete dahinter.

Kompetenzstreitigkeiten zwischen Ministern, die schleppenden Aufklärungen von Korruptionsaffären und Steuerhinterziehungen im großen Stil, ein bis heute nicht aufgeklärter, amateurhafter Angriff auf die DS während des Wahlkampfes - mit dem Vorwurf, dass man die Mörder von Djindjic kenne - oder die kaum vorhandene Medienpräsenz von Premier Kostunica dürften auch dazu beigetragen haben, dass seine bisherige Strategie gescheitert ist.

Diese bestand darin, die DS weiter zu marginalisieren und selbst einen Mittelweg zwischen den Hardlinern des pro-westlichen und dem nationalistischen Block zu beschreiten. Doch bisherige Entscheidungen gestalten sich eher als Schlingerkurs, der vor allem von den unterschiedlichen Vorstellungen und dem Profilierungsdrang seiner oftmals viel zu heterogenen Koalitionspartner bzw. der ungenügenden Autorität Kostunicas herrühren.

Der so dringend benötigte Ruck ist bisher nicht durch das Land gegangen, seitdem die neue Regierung eher schleichend die Geschäfte übernommen hat. Bei wichtigen politischen Punkten hat sich der konservative Kostunica an seine Versprechen gehalten und sich, wie versprochen, nicht dem Druck aus dem Westen gebeugt. So gibt es trotz einer Kürzung von mehreren Millionen Dollar an Krediten aus den USA bislang faktisch keine Zusammenarbeit mit Den Haag. Doch vor den Präsidentenwahlen kündigte Kostunica plötzlich an, dieses "Null-Pioritäten-Thema" aber demnächst in Angriff nehmen zu wollen.

Dabei weiß Kostunica, dass er bei einer Auslieferung weiterer Angeklagter die Unterstützung der Sozialisten verlieren würde, die bisher alle Abstimmungen mitgetragen haben. Dabei würde sich wieder die Frage nach Neuwahlen oder dem Eintritt der DS in die Regierung stellen, die aber aus taktischen Gründen bisher ablehnt. Denn man erwartet ein baldiges Ende der Kostunica-Regierung und damit eine neue Chance für die DS, wieder größeres politisches Gewicht zu erhalten. Mit dem Sieg von Tadic wurde zwar der Bruch der Regierung verhindert dafür wird nun aber auch innenpolitisch der Druck auf Kostunica sprunghaft höher, seinen bisherigen Kurs pro-westlicher zu gestalten.

Außen-, Kosovo- und Finanzpolitik

Geändert hat sich deshalb bisher mit der neuen Regierung vor allem die außenpolitischen Ausrichtung Serbiens und damit eine stärkere Anbindung an Russland. Dass diese Verbindung gut funktioniert, zeigte sich besonders nach der Gewaltwelle im März im Kosovo (Terror im Kosovo), die vor allem gegen die serbische Minderheit gerichtet war. Bei diesem ersten Härtetest blieb die Regierung außenpolitisch moderat gegenüber dem Westen, der nur dank der verzerrten westlichen Medienberichterstattung nicht vollständig blamiert worden war.

Russland stellte Serbien umfangreiche humanitäre Hilfe bereit, die jedoch auf wenig Gegenliebe in der Empfängerprovinz stieß. 50 Fertigteilhäuser als Ersatz für die zahlreichen abgebrannten Wohnhäuser wurden nun im Juni von Randalierern mutwillig zerstört, wahrscheinlich um eine Rückkehr unmöglich zu machen und ein Klima der Angst aufrecht zu erhalten. Russland hat bisher als eine der wenigen Länder die schwierige Lage im Kosovo erkannt und tritt als Partner Serbiens auf. Wohl aber auch deswegen, um den Kosovo nicht zu einem Präzedenzfall zu machen, der Moskaus Interessen in Tschetschenien beeinflussen könnte.

Als Erfolg kann Kostunica bisher für sich verbuchen, im serbischen Parlament einstimmig eine Erklärung für eine Dezentralisierung und die Autonomie der serbischen Minderheit im Kosovo durchgesetzt zu haben. Auch innenpolitisch hat die neue Regierung bislang eine ganze Reihe von Reformgesetzen verabschiedet, eine neue Verfassung wurde - entgegen den Versprechen - bislang nicht in Angriff genommen und auf den Herbst verschoben. Auf der anderen Seite gibt es auch entscheidende Fehler, die weiter von Kostunica getragen werden. Für die Brandanschläge auf zwei Moscheen während der März-Unruhen im Kosovo hat sein Polizeiminister bisher keinerlei Verantwortung übernommen. Kostunica hatte es aber damals geschafft, die Wut und Ohnmacht die sich aufgrund der Ereignisse im Kosovo in Serbien breit machte, in Hilfsaktionen und friedlichen Protest zu kanalisieren.

Weitaus negativer und pro-westlicher gestaltete sich bislang die Finanzpolitik der Regierung. Strikt nach Weltbank-Vorgaben soll der Schuldenberg Serbiens von der Bevölkerung stärker mitgetragen werden. Die Landeswährung schwächelt zunehmend gegenüber dem starken Euro und kletterte seit dem Regierungswechsel im Verhältnis zum Euro über die 70 Dinarmarke. Ende des Jahres soll er bei 80 liegen. Brot- und Benzinpreise sind seit Antritt der Regierung angestiegen, eine sprunghafte Erhöhung der Energiepreise wurde für den kommenden Monat angekündigt. Die Löhne liegen aber immer noch durchschnittlich bei 200 Euro, während die geringen Renten weiterhin nur um mehrere Monate verzögert ausgezahlt werden.

So waren es vor allem die materiellen Umstände, die seit Jahren der Radikalen Partei immer mehr Zulauf verschafft haben. Dazu bedienten sie sich zunächst aus dem Parteiprogramm der Sozialisten und versprachen im Parlamentswahlkampf populistisch Mini-Brotpreise von drei Dinar (5 Cent). Nikolic verzichtete im Präsidentenwahlkampf diesmal darauf, kupferte aber seine Ideen beim Drittplazierten Bogoljub Karic, dem Medienmogul und Mulimillionär, ab.

Der Salatkopf

Dessen unerwarteter Erfolg hat gezeigt, wie viel Bewegung und Manipulationsmöglichkeiten in Serbiens Parteienlandschaft vorhanden ist. Aber auch wie groß die Enttäuschung der Wähler ist. Denn die Partei von Bogoljub Karic wurde gerade erst gegründet. Der Wahlkampf war zudem professionell und eindrucksvoll inszeniert. Ein alter Salatkopf (unbrauchbare Importe) und das Rütteln an verschlossenen Fabriktoren ("Jede Familie, eine Fabrik.") wurden dabei zum visuellen Markenzeichen seiner Wirtschaftskonzepte.

Zur selben Zeit liegt er jedoch auch im Kleinkrieg mit dem amtierenden Finanzminister Mladjan Dinkic (G17 Plus), der nun eine millionenschwere Steuerschuld einfordert. Sicher ein Grund für Karic, nun auch in der Politik mitzuspielen und durch eine eigene Partei die Partei G17Plus direkt anzugreifen. Sein dritter Platz scheint ihm nun aber etwas zu Kopf gestiegen zu sein. Als Unterstützung seiner Wähler bei der Stichwahl für Boris Tadic verlangte er "ganz bescheiden" Neuwahlen, einen Ministerposten (wie er ihn schon unter Milosevic besessen hatte) oder das Amt des Premierministers. Boris Tadic erklärte aber, ihm keines dieser Zugeständnisse machen zu können und verneinte öffentliche Abmachungen mit ihm. Karic bleibt aber trotzdem der serbischen Politik erhalten und bereitet derzeit seine neue Partei auf künftige Wahlen vor.

Ähnliche Pläne dürfte auch der Geschäftsmann Philip Zepter alias Milan Jankovic gehabt haben, der aber seine Präsidentenkandidatur kurzfristig zurückgezogen hatte. Vom Belgrader Nachrichtenmagazin NIN war er im vergangenen Jahr als einflussreichster Mann Serbiens in einer Top10-Liste aufgelistet worden. Ob Karic oder Zepter: Es scheint sich zu zeigen, dass auch international agierenden Wirtschaftbossen langsam die Geduld ausgeht. Die aktuelle Politik scheint das Geschäft immer mehr zu verderben und nur über den Weg in die Politik abwendbar zu sein. Die Verquickung von Wirtschaft und Politik setzt sich damit fort.

Ein Fall für die Analysten

Doch was hat nun dazu geführt, dass die Entscheidung tatsächlich zugunsten von Boris Tadic ausfiel? Die ersten Medienmeldungen sprachen natürlich von einer Öffnung Serbiens und einem Wunsch der Serben an einen "Anschluss an Europas". Vielleicht war es aber auch das konfrontationslose TV-Duell der Spitzenkandidaten, bei denen Nikolic krampfhaft vom Blatt ablas, um dann Bogoljub Karic zu imitieren? Oder weil er feststellte, dass ja Norwegen, die Schweiz und Japan (!) schließlich auch nicht in der EU seien?

Vielleicht war es Tadic selbst, der auch das vom Westen so gemiedene Wort der "ethnischen Säuberung" verwandte, um die Kosovo-Gewalt vom März zu beschreiben? War es der Boykott der Medien, das schöne Wetter oder die Entscheidung von Karic für Boris Tadic, die wiederum Nikolic einen Strich durch die Rechnung machten? Waren es die Warnungen des Westens, die alte Erinnerungen wach werden ließen? Oder war es der Klein-Krieg der Plakatekleber, die erbittert jede Freifläche in Serbien vereinnahmten, Konkurrenzplakate überklebten oder wieder abrissen? Die Analysten dürfen sich nun streiten, denn es war trotz des eindeutigen Ergebnisses, eine knappe Entscheidung.

Tadic stehen fünf entscheidende Jahre bevor

Boris Tadic steht nun also wieder für das Serbien von Zoran Djindjic. Für ein Land, dass vom Westen nach dem 5. Oktober 2000 hochgejubelt wurde, es aber dadurch nicht stabiler oder reicher wurde. Das Land ist faktisch immer noch isoliert, obwohl es sich im Gegenzug gegenüber dem Westen breit geöffnet hat. Maßstäbe für ein "gutes Serbien" pendeln zwischen dem Stillhalten im Kosovo, der vollständigen Zusammenarbeit mit Den Haag und einer Marktöffnung. Diese Faktoren sind aber wiederum erst der Auslöser für die politische Instabilität des Landes. Der Teufelskreis der moralischen Erpressungskeule schließt sich hier und heißt nur Anpassung - die mit Tadic zu erwarten ist - oder aufmucken, dem Ziel der Radikalen.

Somit ist man dem neuen Mann an der Spitze gut gesonnen. Die westlichen Medien schreiben nun auch vom geringen Einfluss und wenig Handlungsspielraum über das anscheinend eher symbolische Amt eines serbischen Präsidenten. Das las sich vor etwa 10 Jahren noch ganz anders, als Milosevic im gleichen Amt eine "Diktatur" oder ein "Regime" führen konnte. Der Spielraum für Boris Tadic ist damit eng geschnürt. Fünf Jahre hat er jetzt vor sich, in denen er kommende Konflikte geschickt entschärfen und die Balance zwischen dem äußeren Druck und dem Willen der Bevölkerung vereinen muss. Das nennt sich dann vielleicht auch irgendwann einmal "Demokratie".