Eins zu Null für die Freischaffenden

Amerikanisches Grundsatzurteil verbietet elektronische Verwertung der Werke von freien Autoren, wenn sie nicht ausdrücklich genehmigt wurde

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Viele Verleger und Herausgeber in den USA werden ihre Gewinnkalkulationen wohl ganz neu überprüfen müssen. Ein Grundsatzurteil des Obersten Bundesgerichts hat in einem 1993 begonnenen Prozess zugunsten der Kläger entschieden, die mehrere Publikationen wegen Copyrightverletzungen verklagt hatten. Vielen Online-Zeitungen drohen nun zwangsweise Löschungen von unerlaubt gespeichertem Content aus ihren elektronischen Archiven. Daneben könnten Regressansprüche in noch nicht absehbarer Höhe auf die Herausgeber zukommen.

Der Supreme Court hat gesprochen und die Herausgeber von Nachrichtenorganen stehen ziemlich im Regen. Mit sieben gegen zwei Richterstimmen stellte das Oberste Bundesgericht der Vereinigten Staaten in einem Prozessurteil jetzt fest, dass Verleger rechtswidrig handeln, wenn sie für die Publizierung in gedruckter Form erstellte Werke freier Autoren zusätzlich elektronisch verwerten, ohne dass dies vertraglich vereinbart ist.

Der Präsident der National Writers Union Jonathan Tasini hatte 1993 zusammen mit anderen freischaffenden Autoren den Rechtsstreit gegen die New York Times;;www.nytimes.com, TIME und andere Herausgeber angestrengt, weil diese die Werke der Journalisten ohne Genehmigung in digitalisierter Form an LEXIS-NEXIS und andere Betreiber kommerzieller Datenbanken weiterverkauft hatten. Der Sieg der Rechtspartei Tasinis hat damit aber auch den Plänen der Herausgeber mit dem Versand elektronischer Faksimiles an Online-Abonnenten einen empfindlichen Dämpfer versetzt. (Vgl.Freie Autoren stemmen sich gegen elektronische Faksimiles)

Als Reaktion auf den Tasini-Musterprozess hatten Herausgeber ab 1993 damit begonnen, in Verträge mit freien Autoren Klauseln zur elektronischen Zweitverwertung einzubauen. Daraufhin verklagte die NWU den Boston Globe auf Nachzahlung angemessener Honorare für die elektronische Reproduktion von Werken. Nach Einschätzung der Boston Globe Freelance Association könnten Herausgeber in nächster Zeit massiv für Verletzungen von Urheberrechten haftbar gemacht werden. Arthur Sulzberger jr., der Herausgeber der NY Times, beweint die nach seinen Worten unausweichliche Löschung der im Online-Archiv gespeicherten Artikel, denen die Rechtsgrundlage entzogen ist, als tragischen Verlust für die Allgemeinheit. Dem ist aber kaum zu glauben, da auf der Homepage der NWU die freien Autoren bereits vor aktuellen Nepper-Praktiken der NY Times gewarnt werden. Angeblich versucht die Zeitung nämlich jetzt, naive Schreiberlinge mit einer Telefon-Hotline zur geplanten Löschung von Archiv-Beständen hereinzulegen. Die NY Times will dabei den betroffenen Autoren weismachen, so die NWU, dass nur die umgehende und pauschale Abtretung der Urheberrechte die Entfernung der Artikel aus den elektronischen Archiven verhindern kann.

Währenddessen strebt NWU-Präsident Jonathan Tasini nach seinem Prozesserfolg unverzügliche Verhandlungen mit den Verlegern an. Dabei sollen nach Vorstellung der NWU insgesamt einige Milliarden Dollar als Nachzahlungen an die Autoren fließen. Und ein neues verbindliches Bezahlungssystem soll künftig für die gerechte Entlohnung der Auftragsarbeit freier Autoren sorgen. Man darf also gespannt sein, inwieweit Freischaffende künftig vor der schleichenden Enteignung durch elektronische Verwertungsmöglichkeiten tatsächlich sicher sind.