Engpass bei Antibiotika: Warum fehlt der lebensrettende Nachschub?

Bild: Nastya Dulhiier/Unsplash

Die wichtigen Medikamente sind nach wie vor Mangelware. Patienten wenden sich in ihrer Verzweiflung an Angebote im Netz. Wo die Probleme liegen und was die Tabus sind.

Steigende Produktionskosten und sinkende Margen sorgten seit Jahren für Produktionseinstellungen in Europa und Produktionsverlagerungen nach Indien und China. So gab es im vergangenen Jahr nur noch eine Penicillin-Produktionsstätte in Europa.

Steigende Energie- und Fertigungskosten gelten inzwischen als Hauptgrund dafür, dass sich der Trend nicht umkehrt. Die Politik belässt es in diesem Zusammenhang europaweit meist bei Ermahnungen und Sonntagsreden, hat jedoch keinen Plan für eine Trendumkehr. An eine Verstaatlichung des Antibiotika-Marktes wagt aus Kostengründen kein Verantwortlicher in der EU laut zu denken.

Doch die Produktionsverlagerung der Grundstofffertigung nach Fernost ist aktuell gar nicht der Grund dafür, dass viele Antibiotika in der Humanmedizin hierzulande inzwischen ein knappes Gut sind. Der Auslöser für die reduzierte Verfügbarkeit ist letztlich genau der gleiche wie bei den Fiebersäften für Kinder. In beiden Fällen ist die Nachfrage stärker angestiegen als die Produktionskapazitäten.

Wenn man jetzt die Verlagerung der Grundstoffproduktion in die EU fordert, hätte man bei deutlich höheren Kosten nur die Transportwege verkürzt, aber noch nicht die Verfügbarkeit erhöht. Dazu müsste man die Lagermengen in der Nähe der Verbraucher erhöhen und dafür sorgen, dass diese auch finanziert werden.

Hygiene

Das Problem bei der Antibiotika-Grundstofffertigung in Fernost ist in erster Linie der Umgang mit den Überresten der Produktion. Während man in China viele der kleinen Fertiger, die schwer zu kontrollieren waren, aus Umweltschutzgründen geschlossen hat, und die verbliebenen nicht zuletzt mithilfe des Social Scoring deutlich stärker überwacht, ist Indien noch lange nicht so weit.

Die indischen Fabriken, die vorwiegend in Hyderabad angesiedelt sind und meist Grundstoffe aus China verarbeiten, genügen zwar hinsichtlich der Produktfertigung hohen Hygienestandards, dies trifft jedoch für die Abwasserbehandlung jenseits der Fabriktore nicht zu.

Resistenzen

So verwundert es kaum, dass 70 Prozent aller Indien-Touristen resistente Keime mit nach Hause bringen. Diese Keime entfalten ihre Wirkung, wenn sie mit einem geschwächten Immunsystem zusammen kommen, was häufig in Krankenhäusern vorkommt. Weil die Antibiotika-Entwicklung aus Kostengründen eingestellt wurde, gibt es hierzulande keine neuen Antibiotika, welche die Resistenzen überwinden könnten.

Eine steigende Nachfrage nach Antibiotika in einem stark reglementierten Umfeld und geringen Margen führt inzwischen dazu, dass bestimmte Antibiotika knapp werden.

Es handelt sich dabei größtenteils um sogenannte Breitspektrum Antibiotika wie Amoxicillin oder Amoxicillin/Clavulansäure, die bei einer Vielzahl bakterieller Infektionen u.a. Streptokokken und anderen grampositiven Erregern zum Einsatz kommen. Knapp ist auch Penicillin V als Beta-Lactam-Antibiotikum (Phenoxymethylpenicillin).

Antibiotika-Nachfrage steigt nicht nur in der Humanmedizin

Die Nachfrage nach Antibiotika steigt nicht nur bei der Patientenversorgung. Auch in den großen Tierställen werden immer mehr Antibiotika dem Futter beigemischt, darunter auch sogenannte Reserveantibiotika, die beim Menschen nur dann zur Anwendung kommen sollen, wenn die üblichen versagen.

Die Antibiotika werden bei den Tieren in der Massenhaltung nicht nur zur Prophylaxe eingesetzt, um einer Erkrankung in den übervollen Ställen zur vermeiden, sondern auch weil die Medikamente das Wachstum der Tiere beschleunigen.

Zwar fordert die Politik immer wieder, dass der Antibiotika-Einsatz als Wachstumsbeschleuniger bei Tieren reduziert werden solle, weil er zu den Gründen für eine zunehmende Antibiotikaresistenz bei Menschen zählt. Kontrollieren lässt sich das jedoch nicht, weil ein Tierhalter nur behaupten muss, dass er die Antibiotika gegen Krankheiten eingesetzt habe und damit in der Regel erfolgreich ist.

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