Europäisches Patentamt will Einsprüche erschweren

Greenpeace fordert eine unabhängige Kontrolle des Amts, nachdem gerade ein Patent "versehentlich" bewilligt wurde

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Nach Angaben von Greenpeace will das Europäische Patentamt offensichtlich Einsprüche gegen Patente erschweren und vor allem keine Sammeleinsprüche mehr akzeptieren. Davon betroffen wäre auch der Sammeleinspruch gegen das im Dezember bewilligte umstrittene Patent auf genmanipulierte Stammzellen, das sich auch auf Menschen erstreckt. Greenpeace hatte dazu aufgerufen, sich am Sammeleinspruch der Organisation zu beteiligen.

Wie Greenpeace berichtet, soll nach einem internen Arbeitspapier des Europäischen Patentamts nicht nur künftig keine Sammeleinsprüche mehr zugelassen werden, sondern ach rückwirkend frühere Sammeleinsprüche für ungültig erklärt werden. Einspruch kann dann nur noch von Einzelpersonen erhoben werden, wobei für jeden Einspruch eine Gebühr von DM 1200.- verlangt wird, was die Schwelle natürlich sehr hoch setzt. Bei einem Sammeleinspruch musste die Gebühr nur einmalig gezahlt werden. Auch wenn das Patentamt diese Pläne finanziell begründet, wird damit die Schwellevor allem für einen Einspruch von Bürgern sehr hoch angesetzt. Man kann zumindest vermuten, dass damit vorwiegend öffentlichkeitswirksame Einsprüche von NGOs wie Greenpeace erschwert werden sollen. Greenpeace hatte vor allem bei Patenten auf Pflanzen, Tiere, menschliche Gene oder Menschen Sammeleinsprüche eingelegt.

Noch steht die endgültige Entscheidung der Großen Beschwerdekammer des EPA zu dieser Änderung aus, doch erscheint bereits ein solches Vorhaben just in dem Augenblick, in dem das Patentamt einräumen musste, aus Versehen ein Patent erteilt zu haben, das ein Verfahren zur Isolierung, Anreicherung und selektiven Vermehrung von tierischen Stammzellen schützt und explizit sich auch auf menschliche Stammzellen aus der Keimbahn oder aus dem Embryo erstreckt, als Affront (Europäisches Patentamt gewährt versehentlich ein Patent, das auch gentechnische Veränderungen am Menschen umfasst). Die offizielle Stellungnahme des EPA: "A method of preparing a transgenic animal ... The English wording of the claim should have included the qualification "(non-human)" because in English scientific usage the term "animal" also includes "human". The European Patent Office has already admitted this error and regrets that it has ocurred. The Office will take every care to prevent such errors recurring in the future. Contrary to many accounts, and despite the omission of the qualifier "(non-human)", the scope of protection of Patent No. EP 0695351 does not extend to human cloning."

Vermutungen nicht nur von Greenpeace, sondern auch von Abgeordneten des Bundestags während der von den Grünen am 24.2. beantragten Aktuellen Stunde gehen dahin, dass das angebliche Versehen möglicherweise auch einer Strategie entspricht, Patente auch auf menschliche Gene oder transgene Stammzellen zu erweitern. Erst im Dezember entschied die Große Beschwerdekammer, dass auch Tiere und Pflanzen patentiert werden können (Europäisches Patentamt gibt Patentierung von Pflanzen und Tieren frei).

"Das Europäische Patentamt", so Christoph Then, der Gentechnik-Experte von Greenpeace, "zeigt im Umgang mit der Öffentlichkeit und den Rechten der Bürger eine unglaubliche Arroganz. Auf einen Schlag sollen mit dieser Änderung der Regeln fast alle Einsprüche gegen Patente auf Leben für ungültig erklärt werden." Schon bei einem Patent, dass 1997 ebenfalls "versehentlich" erteilt wurde und sich auf ein menschliches Stressgen erstreckt, könnte mit der neuen Regel der von Greenpeace vorgelegte Sammeleinspruch ungültig werden, wodurch aber gleichzeitig ein neuer Einspruch verhindert würde, weil die Einspruchsfrist von neun Monaten schon längst abgelaufen ist.

Während der Aktuellen Stunde im deutschen Bundestag demonstrierten die Sprecher aller Parteien eine seltene Einigkeit in der Ablehnung des Patents und unterstützten den Einspruch der Bundesregierung. Gefordert wurde neben einer europäischen Lösung des Problems, auch eine größere Kontrolle des Europäischen Patentamts, die beispielsweise durch eine weitere unabhängige Kontrollinstanz für den Bereich biotechnologischer Erfindungen geleistet werden könnte. Das ist auch die Forderung von Greenpeace. Die Organisation kritisiert, dass das EPA "Rechtsbruch, Rechtsbeugung und Rechtsverdrehung zum perfekten System entwickelt" habe. Vom britischen Patentamt wurden bereits erste Klon-Patente für die Herstellung von "menschlichen und nichtmenschlichen Zellen durch Kernübertragung" bewilligt.